Mittwoch, 2. April 2014

auf dem narrenschiff #13: unerträglich

während ich noch so darüber nachdenke, warum die eh schon manchmal schwer zu ertragenden nachdenkseiten gerade in einen geradezu hysterisch alarmistischen ton verfallen, bemerke ich ganz allgemein eine tendenz dazu, etwas für "unerträglich" zu halten, daß jemand anders so äußert.

zu meiner erheiterung lese ich dann eine post von fefe, der mir das wort "empöreria" schenkt und das phänomen in seiner rotzigen art zumindest grob umreisst. nun erwarte ich mir von fefe nichts tiefsinniges, aber für seine verhältnisse: chapeau.

zu meinem leichten entsetzen stelle ich dann andernorts fest, wie ausgeprägt das phänomen der dünnhäutigkeit, die den gedanken des anderen für schlicht unerträglich hält und emotionell wird, geworden ist.

bei den nachdenkseiten habe ich schnell eine erklärung: so jammern loser halt:

auf hohem niveau.

noch gestern habe ich hier einen beitrag des dlf "aus den politischen blogs" verlinkt, der war vom montag und geht einerseits durchaus freundlich mit den NDS um und widerlegt andererseits die these des gleichgeschalteten rundfunks, denn ... naja, auch die reine erwähnung der NDS in einer solchen sendung ist ja schon "reklame" ... wenn albrecht also nicht sein gehirn ausgeschaltet hätte, könnte er diesen widerspruch bemerken.

aber, und das ist ja das thema dieses posts, die schwelle des erträglichen ist überschritten: "ich habe recht, verdammt, warum sollte ich jemandem zuhören, der meine meinung nicht teilt?" eben. die sind ja eh alle "gleichgeschaltet".

das ist für jemand, der es gelernt hat, rolf clement auszuhalten, schmerzhaft. ja, selbst jürgen liminskis interview mit dem letzten der dem tebartz noch die stange hält (sorry, das konnte ich mir einfach nicht verkneifen) führt bei mir nicht zwangsläufig zu der auch ein bißchen hysterischen reaktion von etwa niggemeier.

g*ttchen, liminski ist nicht lanz, klar ein vollhirni mit einem grenzdebil katholischen weltbild, aber ... naja, dafür hat uns der herr doch gehirn gegeben, um selbst zu bemerken, daß man das nicht teilt.

aber, hey, schön, daß liminski auch die parias, also die, denen früher die welt per se gehörte und die heute wie leprakranke durch die mediale welt schleichen müssen, noch anruft und befragt. das kann man auch unter christliche nächstenliebe verbuchen, den kopf schütteln, mitleid haben ...

aber man sollte es doch aushalten können.

aushalten, daß die anderen da sind. daß sie die dinge anders sehen.

daß sie verdammtnochmal ein recht dazu haben.

nur ... mit dem aushalten, das wird zunehmend schwieriger.

ich befürchte ein bißchen, daß die ursache für diese unduldsamkeit das ende von selbstgefälligen selbstwahrnehmungen sind. sei es das bild, das sich der "westen" so von sich gemacht hat und aus dem heraus er nun glaubt, die "beleidigte leberwurst" spielen zu müssen und das für einen politikersatz zu halten ... und grandios damit scheitert.

oder sei es die frage, was denn nun #selbstgeboren ist.

denn überraschung, wir haben gerade entdeckt, daß wir wichtigeres zu diskutieren haben als die frage, wie man mit dem krokodil umgeht.

fantastilliarden von frauen sind tödlichst beleidigt worden.

weil, was natürlich ist, bestimmen wir selbst.

nur das, was wir nicht aushalten können, das bestimmt dann unser reden.

das narrenschiff, wie es leibt und lebt.

[..] ps: verdammt, verdammt, verdammt

wie das so ist mit klugen sachen - die bemerken natürlich auch andere und so bin ich denn unversehens und maximal zeitnah auf den "zug der zeit" aufgesprungen: die "empöreria", dazu auch noch gemixt mit der #selbstgeboren-heit oder eben nicht empörter frauen, deren bauch immer noch ihnen gehört. oder so. irgendwie halt.

das ist mir jetzt ein bißchen peinlich, aber für mich führt halt eine relativ gerade linie vom "putinversteher" - einem begriff, den reinhard mutz  auf den blättern locker mit einer fußnote (sic!) die basis entzieht
[4] Dieser Begriff beinhaltet einen absurden Vorwurf, da ohne den Versuch wechselseitigen Verstehens Konflikte in aller Regel nicht gelöst werden können.
zu dieser vierhunderttausendsten variante der "ich bin empört über .."-sau, die unbedingt durch's dorf getrieben werden muss. fefe hat mir dann halt als brücke dieses wort beschert und die sache beginnt sinn zu machen: daß die "wirklichkeit", die existenz des "anderen" und seiner abweichung oder seiner nicht-bereitschaft, in die vorgegebene richtung ("ich bin gerade furchtbar empört, daß ...") zu laufen, eben unerträglich wird.

aber, und daher das wort "loser" im zusammenhang mit den NDS - es ist nur die beleidigte reaktion dessen, dessen weltbild so schön harmonisch und wohlgeformt auf die existenz des "anderen" prallt und feststellt, daß der "kampf" welcher auch immer längst der "empörung" gewichen ist: "wie kann der/die nur?"

es ist nur das wütende pfeifen im wald. der jaulende versuch, doch noch irgendwie "recht zu haben" und sei es nur darin, daß der oder die mal wieder was unsägliches gemacht hat.

das problem: vieles von dem "unsäglichen" ist die pure projektion. nicht daß der/die etwas gesagt/getan hat, nein er könnte etwas gesagt/getan haben, das man sich zunächst einbildet, von dem man sich beinträchtigt/beleidigt fühlt und sich dann so richtig "reinsteigert", bis die tweets und posts aus allen löcher, die noch was gestopft werden musste, ungelesen wieder herausquillen. zu viel information, zu viel leerlauf im hamsterrad.

was gesagt/getan wurde ist dabei nicht mehr so wichtig für das generieren von content, den im grunde kein schwein liest, es sei denn die "Echokammer von Gleichgesinnten" ... 

"xy hat einen lesenswerten tweet/post geschrieben und ... ha! ... sagt, daß ich recht habe ... oder ist sooooo was von einem arschloch, weil er einfach nicht kapieren will, daß er/sie unrecht hat."

das wäre eigentlich zum wiehern, aber ... naja, dummerweise regieren die "empöreria" und die "titelverleiher" diesen teil der "wirklichkeit" : das ist doch wieder so ein putinversteher / [hier beliebigen begriff einfügen]" ..

und dummerweise sind das genau die regeln, nach denen auch das krim spiel gespielt wird ... parallelwelten. die empörung über den anderen ... statt daß man ihm zuhört und mit ihm redet.

willkommen in der schönen neuen welt.

wir haben keine wirklichen probleme hier.

in meiner parallelwelt ist alles supi.

wenn bloß die unerträglichen anderen nicht wären ...

2 Kommentare:

  1. Im letzten Abschnitt "Nützliche Dialektik" des ansonsten ziemlich unerträglichen Postings http://erbloggtes.wordpress.com/2014/04/05/eine-sahnetorten-rezension-und-die-reformplane-der-bayreuther-juristen/ findet sich ein Ansatz zur Einsicht. Um in Unten und Oben zu sprechen: Die Unten stellen mit der Zeit fest, wie aussichtslos ihr Kampf um gemeinsame Teilhabe am Oben ist. Das ist frustrierend. Zugleich erscheint es aber als Option, dass nur der "wertvolle" Teil des Unten am Oben teilhaben kann. Also erfolgt eine völlige Zersplitterung des Unten, samt wechselseitiger Leugnung aller Ansprüche auf Anerkennung, Teilhabe, Wert. Die Unten unterdrücken sich gegenseitig. Und die geben denen Oben die Werkzeuge an die Hand, die Unten besser zu unterdrücken.

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  2. sehr schön gesagt,

    ich denke, das ist im kern auch die idee von fefe - nicht, daß er ein großer denker wäre, aber verdammt, da hat er was formuliert, was mich schon lange beschäftigt und was ich die "erregungswellenblogosphäre", die "digitale boheme" genannt habe., von der wir gerade angesichts ihrer machtlosigkeit erkennen, daß sie doch nur das "proletariat" ist.

    die konsequenz sehe ich 1:1 so wie du das da oben formulierst. ich gehe weiter: es ist teil eines prozesses, der uns in die quasi faschistischen gefilde einer in permanenz erregten öffentlichkeit treibt, deren themen setting dann von den geheimdiensten gesteuert wird ... wir uns aber immer noch für "die guten" halten.

    wenn man nun versucht, ein wenig sand des hamsterrad ins getriebe zu bringen, stößt man natürlich auf unverständnis.natürlich ist die diskussion darüber, ob man nun als frau ausgegrenzt wird wenn man nicht #selbstgeboren hat zb. so wichtig, daß wir uns nicht fragen müssen, ob nicht unsere regentin und ihr aussenminister nicht mal vor gericht landen werden, weil sie verbrechen vorschub leisten.

    ich bin immer wieder entzückt, wie nahe im kern und doch so unterschiedlich in der form, wir uns da in der einsicht in die selben vorgänge und entwicklungen oft sind, obwohl wir an recht unterschiedlichen orten kämpfen.

    ich denke, die nachwelt wird es bereuen, unseren für die jetztwelt abstrusen weil ihr "gutsein" leugnenden gedanken zu ignorieren ;-)

    aber, fefe ist das einfach der bessere "verkäufer". unsere diesbezüglichen abschweifungen und - in deinem fall - quasi wissenschaftlichen ansätze prädestinieren sie halt eher als staubfänger und werden nur da gewürdigt, wo auch noch der spaß an der form hinzukommt ...

    danke also für den hinweis, ich habe gerade ziemlich viel gekichert.

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