Nach 1968 kamen die Vollidioten
Von Helmut Böttiger
Die 1968er haben die Welt nur verändern
wollen, es kommt aber auch darauf an, sie zu verlachen! Die Neue
Frankfurter Schule und die Elche von früher.
Die ‘68er-Bewegung
bestand nicht nur aus Straßendemonstrationen, Molotow-Cocktails und
radikalen Politparolen. Gesellschaftliche Lockerungsübungen,
amerikanische Pop-Kultur und neue Möglichkeiten des Lachens sind von ihr
nicht zu trennen. In Frankfurt entstand mit der Satirezeitschrift
‚pardon‘ eine Zentraleinrichtung dieser Kulturrevolte: Hier wurde,
parallel zu dem Aufstand an den Universitäten, eine bestimmte Form von
Hochkomik erfunden. Es überrascht, wer in dieser Redaktion nebeneinander
saß: Eckhard Henscheid, der 1973 mit seinem satirisch-verschnörkelten,
barocken Kneipenroman ‚Die Vollidioten‘ den Nerv der Zeit traf, und
Wilhelm Genazino, der virtuos zwischen Humor und Melancholie balancierte
und zu einem der herausragendsten Gegenwartsschriftsteller heranwuchs.
Was sie einte, war nicht so ganz klar. Für eine Ausstellung der
Karikaturisten Robert Gernhardt, Hans Traxler und F.K. Waechter fand man
aber 1981 die schlagkräftige Formel von der ‚Neuen Frankfurter Schule‘:
Die alte Frankfurter Schule um Theodor W. Adorno wurde in andere
Analyseformen überführt, jetzt wurde kräftig gelacht. Robert Gernhardt
kreierte eine Form von komischer Lyrik, die es binnen kurzem auf die
höchste Stufe des literarischen Olymps schaffte, F.W. Bernstein brachte
seine Kritik an einstigen Apo-Revolutionären mit dem Slogan „Die
schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche“ auf den Punkt,
und Wilhelm Genazino gelang mit seiner Romantrilogie um eine Hauptfigur
namens ‚Abschaffel‘ ein zeitloses Abbild der Epoche.
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