Mittwoch, 10. April 2013

schon okay, ich bin nur zu faul

das passiert, wenn man sich mal "frei" nimmt und statt seine gedanken unsortiert den untiefen des www anzuvertrauen, einfach nur so an sich vorbeispazieren lässt ... man wird faul. könnte man denken, aber - du irrst, in wirklichkeit bin ich gerade fleissig nur eben an einer stelle, an der du es nicht siehst.

es sei denn du steht an der kasse einer regionalen bäckerei-kette oder sitzt hier an meinem rechner und arbeitest mit deinem lieblingswerkzeug, dem "schweizer messer" für alles. weil das aber nicht so ist, du also nicht hier herumsitzt, entgeht dir einiges an fleiss ;-)

aber, letzte woche war der ZDF Infokanal so nett, "the substance" in der kompletten (nur einmal, aber das ist meinem festplattenrecorder egal) und dann mehrfach in einer auf 45 minuten gekürzten version auszustrahlen, jedenfalls so lange, bis ich auch die erste minuten zu sehen bekam - warum halten die sich bloss nicht an die anfangszeiten?

egal, wenn du den film noch nicht kennst ... er ist imho (räusper) der bisher einzig gelungene versuch, dieser substanz auf die spur zu kommen und die entwicklung, die sie nahm als sie erst mal aus dem labor heraus war, kohärent so zu schildern, daß es endlich einen sinn macht.




als hippie ... vor einem jahrzehnt habe ich mich immer als den sprichwörtlichen "40 years old hippie" bezeichnet, was jenseits der 50 einerseits nicht stimmt und schon damals in der regel dazu führte, daß niemand diesen semiotischen joke verstand, der weder ted richards noch die U-Comix #1 geschweige denn die erste folge des "40 years old hippie" kannte ... also so gut wie niemand ...

wo wollte ich hin? ach ja, hippies ...

sind ja, wenn man den begriff so landläufig als von den mainstreammedien jener tage in "gammler" umdefiniert erlebt hat, die sich nicht waschen, faul herumhängen und den ganzen tag nur drogen nehmen, eine seltsame spezies: es ist ihnen ziemlich egal, ob "die anderen" auch nur ansatzweise ahnen, wie sie sich selbst und die welt als solche verstehen. sie sind "transformiert", haben ein paar sachen verstanden, die damals noch science fiction waren und heute landläufige praxis sind. also dinge miteinander teilen, in einer abstrakten realität herumsurfen, ein scheiss auf die "autoritäten" geben und all das.

yep, ohne daß du das weisst, bist du auch ein hippie.

du hast bloß keine verständnis für die geschichte der ideen, die du längst absorbiert hast und lebst. die hippies haben das internet zu dem gemacht, was es ist und ich fand schon immer, daß timothy leary mit seiner behauptung recht hatte, daß nur "acid-freaks" sich überhaupt im "cyberspace" bewegen konnten, weil sie die geistige freiheit für eine solche expedition hatten.

na klar, in wirklichkeit haben die mainstream medien und die regierungen das internet "erfunden", wahrscheinlich sogar die "piraten" und es war schon immer als besseres anzeigenblättchen oder als kontaktbörse gedacht.

schon okay, gleich kommt das sandmännchen.

nope, das internet ist mal ein bewusstseinsraum gewesen, die logische erweiterung des innenraumes, den die hippies in den 60ern massenhaft betraten. wie sie das hinbekamen, in's maschinendeck des bewusstseins, das erzählt dieser wunderbare film auf's schönste.

vor allem stellt er die sache mal in aller kürze auf die füsse

wenn ich dokus über die 68er, die hippies, den summer of love oder lsd im allgemeinen sehe, denke ich immer: oh, das verstehe ich zwar jetzt, aber wie soll das jemand auch nur ansatzweise erfassen können, dem die "zeichen" nicht vertraut sind (semiotik, ick hör dir trapsen), der zu den gesichtern, die er sieht,  von jerry rubin, jerry garcia über ralph melzer hin zu timothy leary keine ihnen zughörige "erzählung" hat.

es sind nur gesichter, personen und ideen, zu denen man sich stellen kann, die man aber nicht versteht, wenn man nicht eines ihrer bücher (jerry rubin "do it" oder timothy leary's "neurologic" etwa) oder deren musik man nicht kennt (wie etwa die der grateful dead und jerry garcia's spiel im besonderen kennt, was man ja erst nach ein paar dutzend konzerten zu verstehen beginnt).

wie kannst du verstehen, worum es geht?

zb. indem du dir den film anguckst, den ich dir wirklich ans herz lege.

er erzählt dir, wie albert hofmann die substanz erfand, wie er sie testete, wie man zum ergebnis kam, man könne da gerade den heiligen gral der psychologie entdeckt haben ... und wie sich zuerst einmal das militär die droge schnappte, um menschen im kalten krieg zu "konditionieren" oder eine wahrheitsdroge zu entwickeln oder zur not auch eine, die man über einer stadt versprühen kann, und damit die einwohner "irre" zu machen.

gründlich wie das militär nun einmal ist, hat es in den 60ern groß angelegte versuchsreihen gestartet ... und dafür kann man ihm ja nur dankbar sein.

was? wie bitte? dankbar?

yep.

vor allem dafür, ken kesey an einem solchen versuch teilnehmen zu lassen.

der verdankt diesem versuch nicht nur die idee zu "einer flog über das kuckucksnest", er verdiente auch so viel mit dem buch und dem film, daß er sich in der folge einen bus kauften und nun mit den "Merry Pranksters" - vor allem aber einer menge lsd durch's land fuhr und die berüchtigten "acid tests" veranstalteten, an denen immer mehr menschen teilnahmen.

Have YOU passed the Acid Text????
am ende einer langen kette stehen dann die konzerte der grateful dead, zu denen lsd verteilt wurden. wer mal ein konzert der dead auf LSD gehört hat, versteht, warum. ich empfehle die "Live Dead" oder ein konzert aus den 70ern ...

diese kette kann man - und das unterscheidet die doku doch gewaltg von allen bisherigen versuchen - sehr schön nachvollziehen, auch den aberwitz, daß die welt im grunde dem amerikanischen militär die hippies und damit die friedensbewegten bewegungen in der folge verdankt.

ein punkt in der doku .... obwohl ich ein ausgesprochener fan von stanislaw grof bin und ihm nur sehr ungern widerspreche, geschweige denn dem großen albert hofmann ... provoziert meinen widerspruch und ich habe ein brauchbares beispiel gefunden, um meinen widerspruch in die gegenwart zu spiegeln:

beide machen timothy leary den vorwurf, daß sein missionarischer eifer dazu geführt habe, daß lsd am ende nicht seriös erforscht wurde und am ende den zweck erfüllt, der vorgesehen war (von beiden) - der einsatz in der psychologie.

das beispiel ist wikileaks

im grunde ist das was leary tat, das, was julian assange getan hat und was seit prometheus eine gute tradition ist: die erkenntnis frei zu setzen und es den menschen zu überlassen, was sie damit tun.

daß die autoritäten darüber nicht glücklich sind, weder die politischen, die militärischen und auch nicht die wissenschaftlichen, kann man nachvollziehen, aber ... wo wären wir ohne feuer und ist die tatsache, daß es nun einmal menschen gibt, die mit dem feuer spielen und sogar absichtsvoll feuer legen, ein beleg dafür, daß prometheus es nicht hätte herausrücken sollen? wohl eher nicht.

man muss grof & hofmann an der stelle schon alleine deshalb widersprechen, weil sie sich der illusion hingeben, daß es ohne die propaganda durch die marry pranksters oder leary zu einer millionenfachen "infizierung" mit einer bewußtseinserweiternden erfahrung zu einer so dramatischen veränderung des gesamten planeten gekommen wäre. die politik, die religion, das militär hätten auch ohne leary zu verhindern versucht, daß die substanz "unter die leute kommt".

was passiert, kann man - wenn man den acid test absolviert hat, um so besser - verstehen: sieht man von den bad trips ab, die die untersuchende ärzte alleine schon durch ihr rigides system von manipulativem handeln erzeugen, sieht man probanten, die sich freggd lachen über die offensichtliche dummheit des ihnen gegenüber agierenden personals, die einfach nicht kapieren, was sie gerade gemacht haben: sie haben menschen die erfahrung machen lassen, daß es DIE WIRKLICHKEIT eben nicht gibt und sie gerade mit einem tropfen einer substanz "mutanten" erzeugt haben, die von einer höheren stufe menschlicher wahrnehmung eines "besseren" überzeugt werden konnten.

nicht im sinne einer tradierten erzählung, von etwas, von dem "die rede ist" ... nein praktisch greifbar. jedenfalls so praktisch, wie es wohl saulus empfunden haben muss, als er an diesem busch vorbeispazierte.

leary begriff die substanz als highway zur "erleuchtung"

higher conciousness. keine vierzig tage fasten und hungern. ein zuckerwürfel und du bist da, und er verstand nur zu gut die paralleleln zum tibetanischen totenbuch, die todesmetapher und -symbolik findet sich schließlich im namen und dem artwork der grateful dead wieder.

es gibt eine schöne stelle im film, in dem ein sterbenskranker wissenschaftler, der seinen kindern mit seinem analytischen herangehen an die unterschiedlichen therapieen, die sich anböten, so auf den wecker geht, daß sie ihm die teilnahme an einem sterbeseminar ans herz legten, bei dem psylocibine gereicht wurden.

er beschreibt seine erfahrung - die man ja nicht beschreiben kann, weil das gegenüber sie nur verstehen kann, wenn es sie selbst gemacht hat oder aber eben zur gänze überhaupt nicht - so: er sei segler und erkläre die sache deshalb gerne so. man ist mit einem boot auf hoher see. dann fällt man plötzlich über bord. man guckt so um sich und plötzlich ist das boot weg. dann das meer. und dann man selbst.

erklär' das mal jemanden, der nicht "weiss, was sache ist".

das schafft auch der film nicht.

was er aber schafft: er erzählt kohärent die zeitabläufe und den zusammenhang, er konfrontiert mit menschen, die definitiv wissen, "was sache ist" und in solchen momenten, wie jenem, in dem dem erzähler von eben der versuch, die erfahrung zu beschreiben, nur die sprache wegbleibt und seine augen feucht werden von der erinnerung an das, was er _erfahren_ hat, mißlingt (oder gerade deshalb glückt) schafft er es sogar, etwas zu vermitteln, was eigentlich nicht zu verstehen ist:

daß wir über ein mittel verfügen, daß - richtig genutzt - den teil unserer welt verbessern könnte, der von denen gerne ignoriert wird, die unter einer optimierung unserer leistungsfähigkeit durch drogen nur die verstehen wollen, die bessere "verwendbarkeit" in der "produktion" steigern.

hirndoping ist ja in der elite ein zunehmend akuter werdendes phänomen. es ist ja nicht so, daß nur darüber geredet würde, ein großteil des konsumieren ritalin zb. dürfte nicht von ADHS kranken kiddies genommen werden sondern von ärzten, professoren, geistesarbeitern, die im konkurrenzkampf mit ein wenig doping nachhelfen (müssen?)

die "substanz" steht für einen gegenentwurf und ... vor allem ... muss im gegensatz zu ritalin etc. nicht täglich genommen werden. es reicht eim grunde eine einzige dosis. ein sehr gefährliches teufelszeug, schon wahr.

ach ja, der 40 jahre alte hippie

in den untiefen des archivs findet sich dann doch die U-Comix 1 und mit ihr dieser comic


so und jetzt gucke ich mal, daß ich mit den schädlichen folgen des "maskulinismus" zu potte komme ...

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