Montag, 14. Juli 2014

mein kommentar zu christoph kappes

weia.

lieber christoph,

ehrlich: diese debatte führen "wir" (wer immer das sein mag, leute halt, die sich lange im netz bewegen und es für einen ort hielten, an dem sie mit anderen leuten kommunizieren und dazulernen können) seit 20 jahren.

ich kann das natürlich ncht so schön allumfassend machen, wie plöchinger, oder freundlich wie ben, ich bin mehr so der digressionist und ankekdotenerzähler, carta-fensterreden-inkompatibel

wenn im spiegelforum bei compuserve 1993/94 einer aufkreuzte, sich beklagte, daß in frankfurt schon wieder eine synagoge und natürlich von unseren steuergeldern finanziert, gebaut wird ...

dann konnten wir so einen (ich habe den thread im archiv, wenn dich so was interessiert) umarmen und ihn sanft in die gemeinde derer führen, die versteht, warum so eine bemerkung den einen oder anderen vielleicht verletzt. ja, genau so, ihm freundlich und sanft "anstand" beibringen.

also das, was du da forderst.

zu blöd, heute würde ich das nicht mehr so machen, wie ich das vor zwanzig jahren vielleicht noch konnte.

was du offensichtlich nicht siehst, ist dieser effekt: in einem kommentariat, sagen wir einmal dem handelsblatt, in dem sich zu beginn die üblichen verdächtigen, börsenzocker, wirtschaftsinteressierte, eher konservativ gestimmte über die themen unterhielten, dringt an einem punkt x eine - wohl von seiten wie PI lobotomisierte kleine gemeinde von quartalsirren ein.

das ist einfach, zu diesem punkt x gibt es keine "zensur". das handelsblatt ist stolz darauf, das "liberal" zu halten, dem "volk eine stimme zu geben", sich auch anzuhören, was "da draussen" so gesagt wird.

also dringt ein kleiner "stoßtrupp" ein, dinge wie ein allgemeiner ekel an allem, der europäischen union, den blöden islamisten, verstreut auch mal noch durch die blume "die juden", die "blöderberger und illuminieten" werden thema der auseinandersetzung. das mit den juden wird später unkomplizierter.

die, die sich vorher "gesittet" oder "gepflegt" unterhalten haben, reagieren nun auf zwei arten. die einen sind beglückt, daß endlich mal einer sagt, was sie schon immer gedacht haben: EU scheisse, EURO scheisse, ausländer raus.

die anderen? die gehen weg.

ergebnis: es gibt jetzt eine klar definierte menge von leuten, die alle in etwa das selbe bescheuerte zeugs, tagein tagaus tagein tagaus tagein tagaus in immer den selben formeln wiederholen, daß man schon fast bekloppt wird.

die wenigen, die denken, "hey, das war bis jetzt mein sandkasten" und die ihn nicht kampflos aufgeben wollen, wehren sich ... aber es sind eben nur noch einzelne in einer masse.

der kampf ist schon verloren, bevor er überhaupt beginnt.

zweiter effekt: ich weiss ja nicht, was im kopf von so einem redakteur vorgeht, wenn der den mist liest. ich selbst habe in einem jahr handelsblatt genau eine einzige situation erlebt, in der plötzlich ein redakteur aus dem off sagte: "wenn ich könnte, wie ich wollte, würde ich 2/3 von dem scheiss hier in den papierkorb werfen". (ist im archiv ...)

resumieren wir also mal folgendes: wir haben einerseits diesen vertreibungs und ausbreitungseffekt. von dubiosen seiten, auf denen dubiose dinge in einer doch intellektuell sehr einfach gestrickten weise diskutiert verkündet werden, strömen horden von doofmatzen in die öffentliche diskussion.

statt daß in der komplexe dinge komplex gehandhabt werden, sich begriffe wie "die politiker" per se schlicht verbieten würden, es nicht immer nur ein eindeutig "richtig" oder "falsch" gibt, die "guten" (wir hier unten) und die "bösen" (die da oben und ihre medienknechte, die unsere meinung unterdrücken) ... passiert nun genau das:

die binäre logik zieht in den öffentlichen diskurs.

nun sagt man mir, das sei nicht so schlimm, weil es ja keine auswirkungen auf die gesellschaft wiederum habe. stimmt und stimmt nicht.

leute, die hier in meiner umgebung leben, erlebe ich ja ganz anders als die "euroneurotischen" oder "islamophoben" etwa im handelsblatt: den euro kriegen die erst einmal nur aus unseren toten kalten händen, weil wir hier drei grenzen haben und nie und nimmer jemals wieder umrechnen werden. was für honks, die auf so eine idee kommen.

oder, lustig, ich sitze in einem bus in der eifel und erlebe für mich in dem moment eigentlich alles andere als erwartbare formen freundlichen, liebenswerten umgangs meiner eifelaner, diesen bauernsleuten mit offensichtlich aus der arabischen welt zugezogenen, die selbst in so einem kleinen kaff samt hem kinderwagen (wo die sich doch angeblich vermehren wie die karnikel, diese islamisten!) aussteigen.

ja, ich erlebe mich selbst als jemanden, der eine tasche, die ein arabischsstämmig aussehender mensch an einer bushaltestelle abgestellt hat, hütet, weil der besitzer sich entfernt, um seine schwester mit dem auto abzupassen. verrückt. halt eifel, nicht berlin, da kann man sich sowas erlauben.

ich habe das erzählt, um dir zu sagen: yep, ich weiss, daß die welt nicht so ist, wie sie mich aus dem kommentariat anspringt. ich erlebe empathische menschen. die gehen wahrscheinlich bloß nicht in diese foren und schütten dort ihr herz aus.

statt dessen die, die ihren mageninhalt mit dem herzen verwechseln

und endlich keine mördergrube mehr aus ihr machen müssen.

aber, ich sehe auf der anderen seite in berlin und anderswo montagsdemos, in der querfrontler unsägliches verlautbaren ... und ich sehe keine friedensbewegung.

und ich sehe, daß eben diese kotze anfängt zurück in die gesellschaft, oder den teil, den so etwas überhaupt interessiert, die medien etc, schwappt und warte im grunde nur darauf, daß mal im deutschlandfunk einer über einen gewissen zeitraum so redet wie diese dummschwätzer.

wie also damit umgehen, daß die da sind und kotzen, denn das ist ja deine frage.

du möchtest sanft sein, hey, das möchte ich auch. du möchtest den verständnislosen zu verständnis verhelfen. möchte ich auch.

nur mir ist halt irgendwie klar, was gruppendynamik ist. 

und da "wir" (wer immer das sein mag), das "terrain geräumt" haben, uns so sehr lieber mit unseren heilen kleinen heimen, unseren gepflegten blogs und kleinen salons beschäftigen statt uns dem mist erst auszusetzen ...

... denke ich mal, du träumst.

gehst du ins handelsblatt und hilfst denen beim denken?

gehst du ins spiegelforum, die zeit, die faz. oder redest du hier nur so herum, wie schön die welt wäre, wenn wir uns alle ein bißchen mehr liebhaben?

das ist blöd, weil der hippie in diesem hause bin ich.

"den feind umarmen", es ihm erklären, ihn zu deinem freund machen. der mit dem "graadselätz", wenn hier einen als einen faschisten denunziert, dann gehe ich mal rüber und rede mit dem. stellt sich meistens raus, daß er keiner ist, halt seltsame ansichten hat, mit denen man aber leben kann, weil andere leute sind eben anders. finde ich gut so.

ich hab' das über jahre gemacht, dieses in ein forum gehen und "stand" halten. so sinnlos, so selfish und selbstverliebt das in wirklichkeit mit genügend abstand zum eigenen treiben das einen auch immer ankommen mag ...

hast du? gehst du?

kloppst du dich noch oder bist du schon weit weg von allem, was nervt und nur sinnlos zeit verbrennt? bei dem man sich ja doch nur selbst öde vorkommt, die ganzen hirnis rundherum und man spricht im grunde an einen unsichtbaren gast der mitliest und sich für eine sekunde nicht ganz so alleine und verlassen vorkommt?

wenn nein ...

hör' auf zu träumen. die welt ist an dieser stelle voller blaumiesen. 

sie werden immer mehr, weil "wir" öffentliche plätze geräumt haben und diese räumung denen, die in den redaktionen sitzen, nun den eindruck vermittelt, wir wären gar nicht da. und irgendwann werden sie das dann doch als "volkes meinung" verstehen, absorbieren und - verdammt nochmal davon leben sie - ihr publikum "bedienen".

wie mein vorschlag oder mein hauptvorwurf in dieser sache lautet, habe ich bei ben ja erklärt, will ich hier nicht wiederholen: das ist die aufgabe und das schändlichste versagen der redaktionen, also auch derer der blogs.

es hat nun aber nicht jeder blogbetreiber die zeit, um jeden honk freundlich zu behandeln. ich persönlich plädiere für arrogantes arschlochverhalten: weg mit dem müll, die haben genug spielplätze, sollen sie sich doch dort erbrechen.

in diesem sinne: einspruch euer ehren, das sehe ich ganz und gar nicht so wie sie.

grüße aus der garage

[ps]

[..] Ich habe viele Shitstorms beobachtet
[..] und bin der Meinung, dass Wirkungen
[..] Ursachen haben.

hätte das jemand vor sagen wir mal 5 jahren gesagt, hätte ich zustimmend genickt ...

heute frage ich mich, ob nicht langsam die erkenntnis hätte ankommen können, daß wir neben CHQ und NSA auch so etwas wie nashibots haben, öffentliche debatten oder shitstorms längst wie irgendwelche #aufschreienden empöreria wellen "absorbiert" worden sind und nur noch ein ärgernis?

bitte mal in der gegenwart ankommen.

wir verteidigen doch schon seit jahren nicht mehr "unser" netz mit "unseren möglichkeiten" gegen "emailausdrucker".

fakt ist: wir haben "dem feind" eine geladene knarre in die hand gedrückt und er hat sich nicht mal artig bei uns bedankt. jede noch so brauchbare einrichtung wie ein shitstorm ist doch längst als karikatur pervertiert und wird massentauglich eingesetzt wie ein werbespot.

unsere debatten werden längst "gemacht".

zu denken, daß das doch nur der ehrliche ausdruck von ehrlich besorgten menschen ist, ist "so was von 2009" und sträflichst naiv.

[pps] von der saarländischen bänd "ehwurscht", anfang der 80er, leider hier kein tondokument verfügbar: "ess kappes, du flappes, häppcha genn kään gemacht" ;-).

wobei "kappes" im saarländischen krautsalat oder kohl allgemein ist, und "häppcha genn kään gemacht" dafür steht, daß der teller leer gegessen werden muss.

was mir mit labskaus allerdings schwer fallen würde ;-)

8 Kommentare:

  1. Keine bezahlte Kommentar-Truppe könnte wirklich die "öffentliche Meinung" beeinflussen, wären da nicht unzählige Hirnis vorher schon da, die genauso verwirrt und von sich eingenommen ("Truther"!) allerlei Ressentiments in nicht mal selbst ausgedachte Worte fassen!

    Für mich sind das Marginalisierte, Bildungsverlierer, die ihre Wut über die eigene mangelnde Bedeutung in der Welt, wie auch den Frust wg. der eigenen Inkompetenz, sich ein befriedigendes Leben zu kreieren, an "der Welt" auslassen - in Gestalt von Kommentaren in Großmedien.

    Und da sind auch noch die Neoliberalen, die entsolidarisierten Besserverdiener, die vermutlich meinen, alles was Mensch braucht, sei eine hohe gut bewachte Mauer ums eigene Grundstück. Dass ihre Steuern (so sie welche zahlen) für Soziales ausgegeben werden, sehen sie als Enteignung und Verschwendung.

    Ob es wirklich etwas bringt, sich mit diesen Szenen auseinander zu setzen?

    "und man spricht im grunde an einen unsichtbaren gast der mitliest und sich für eine sekunde nicht ganz so alleine und verlassen vorkommt?"

    Ja, das ist der einzige Grund - und ein Alltagsheld, wer sich da engagiert.

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    1. @claudia

      [..] Keine bezahlte Kommentar-Truppe könnte wirklich die
      [..] "öffentliche Meinung" beeinflussen

      an diesem punkt werden wir zwei nie "handelseinig", aber okay, ich kann mir da etwas vorstellen, das du (imho) immer noch nicht qanz dich heranlassen willst. sei's drum, ich sehe das anders als du, we agree to disagree

      [..] Für mich sind das Marginalisierte ..

      ich fand ja an dem artikel in der faz vor allem die einsicht, daß es wohl die sind, die man füher als "konservativ" verstanden hätte ... zu blöd, ich bin auch irgendwie "konservativ", da fehlt immer das wörtchen "struktur"- oder "werte"- vornedran.

      ja, es sind menschen, denen es an toleranz und der fähigkeit, komplexe dinge auch komplex verstehen zu können, gebricht. da sind wir ganz schnell "beieinander".

      [..] Ob es wirklich etwas bringt, sich mit diesen Szenen auseinander zu setzen?

      hey, claudia, ich sage, schmeisst den scheiss einfach weg, die haben genug spielplätze. da ist meine toleranz (kann man hier ja seit 3 jahren immer und immer und immer und immer wieder nachlesen): zensur! zensur! zensur! hygiene.

      [..] ein Alltagsheld

      naja, manchmal bin ich auch einfach nur ein blasiertes, überhebliches, ignorantes, besserwisserisches ar###### und ein raufbold ;-)

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  2. Das ist ja auch mal schön, trotz intensiver Diskussion beiderseits weiterhin "gefestigter anderer Meinung" zu sein! Erlebt man selten, dass das nicht zu Feindseligkeiten führt oder zu komischen Wischiwaschi-Konsensen, die nur "um des lieben Friedens Willen" formuliert werden, weil man jegliche Pseudo-Harmonie einem klaren Dissens vorzieht! :-)

    Herzliche Grüße
    Claudia

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    1. claudia, ich bin ja nicht auf missionstour und wenn jemand eine andere meinung hat als ich, dann ist das halt so, warum sollte ich da lang und breit grummeln - für mich ergibt sich eine meinung immer aus mehreren, die sich ruhig auch widersprechen dürfen .

      nicht umsonst ist mein lieblingszitat das aus "der name der rose":
      wahrlich finstere zeiten, in denen ein kluger mann sich gezwungen sah, dinge zu denken, die zueinander im widerspruch stehen ;-)

      ich ärgere mich eher über meinungen, die das problem aus dem elfenbeinturm heraus betrachten wie die von christoph kappes etwa.

      jetzt auch auf carta.de ... seufz

      http://www.carta.info/73639/das-erbrochene-betrachten

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  3. Um nochmal den Kernpunkt meiner "anderen Meinung" anzusprechen (für die Mitlesenden): all meine Lebenserfahrung zeigt mir, dass "bezahltes Agieren" niemals wirklich die Herzen der Menschen erreicht - nicht nachhaltig!

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    1. räusper,

      adolf hitler, von dietrich eckhart und der thule in die kneipen-keller geschickt, widerspricht dir leider ganz entschieden ...

      http://hinterwaldwelt.blogspot.de/2014/02/aus-den-archiven-thule-01.html
      http://hinterwaldwelt.blogspot.de/2014/02/aus-den-archiven-thule-02.html

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  4. hardy, es ist wohl auch so, dass die eingerissenen Zustände die Journalisten in ihrer alten Meinung von der Leserschaft bestärken. Ich kenne kaum einen Journalisten, der nicht auf sein Publikum herabsieht. Je blöder das Kommentariat, desto erhabener dünken sie sich. Insofern ist diese Entwicklung auch Wasser auf ihre Mühlen ...

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    1. [..] Insofern ist diese Entwicklung auch Wasser auf ihre Mühlen ...

      klaus, wie gesagt, da stecke ich seit jahrzehnten drin und hatte früher gelegentliche anfälle von wut über das versagen der redaktionen, die sich "zu fein" waren, in die kloake zu steigen und den müll wegzuräumen. heute ist es eher wie vogelscheisse, die schicht für schicht den humus für die studien bildet, die "die geschichte" mal anstellen und das versagen des deutschen journalismus bilden wird. blasiert dem eigenen untergang entgegen.

      heute kann ich mich nur noch lustig machen und das, was christoph kappes da so von sich gibt, für einen hohn halten - eine fensterrede darüber, wie schön die welt doch sein könnte, wenn wir uns alle nur so richtig lieb hätten. ich bin mir sicher, daß er nie in die kloake steigen würde und sich mal mit dem konfrontiert, worüber er so wohlfeil schreibt.

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