Blog Honig

Donnerstag, 16. Januar 2014

Geschichten aus dem Köllertal IV

Rechtsschutzverein und Gewerkschaften

Als nach dem Bergarbeiterstreik im Jahr 1889 sich die Arbeitszeit allmählich normalisierte und auf achteinhalb Stunden festgesetzt worden war, und die Umgangsformen zwischen den königlich preussischen Grubenbeamten und den Bergleuten etwas erträglicher geworden waren, gründete man auf dem Bildstock den Rechtsschutzverein, die erste gewerkschaftliche Berufsorganisation an der Saar. 

Als 1. Vorsitzender wurde der Bergmann Johan Warken gewählt, der unverzüglich mit dem Bau eines Gewerkschaftshauses auf dem Bildstock begann, wozu jedes Mitglied eine bestimmte Anzahl roter Ziegelsteine stiftete und zur Baustelle schaffte. Man bedenke den Gemeinschaftsinn, von dem die Bergleute dmals durchdrungen gewesen sein müssen, aus dem ganzen Saarland Bausteine nach Bildstock zu bringen und das erste Gewerkschaftshaus in Gemeinschaftsarbeit zu errichten.

Johann Warken war denn auch der erste Gewerkschaftssekretär, der die Interessen seiner Kameraden vertrat. Später wurde aus diesem Rechtsschutzverein die freien Gewerkschaften und im Jahre 1904 ging man dann auch zur Gründung einer Christlichen Gewerkschaften über, da die freien Gewerkschaften "im Ruch standen", Anhänger der Sozialdemokratie zu sein. Heute mutet so etwas lächerlich an, denn die Idee der Gewerkschaften hat sich für alle als etwas Selbstverständliches eingestellt.

Mit der Gründung des Rechtschutzverein begann erst der eigentliche Kampf um dessen Anerkennung. Eine Anzahl Bergleute, von denen man wusste, dass sie Mitglieder der Gewerkschaften waren, wurden rücksichtslos entlassen und waren auf die mehr als nur materielle Hilfe ihrer Kameraden angewiesen, bis sie von den Gemeinden nach und nach im Strassenbau oder bei Bauunternehmern unterbringen konnten. Eine Arbeitslosenunterstützung gab es damals nicht.

Aber auch die bittersten Jahre nahmen ihr Ende und langsam aber unaufhaltsam erkämpften sich die Gewerkschaften ihre Anerkennung, aber die bitteren Jahre der Unterdrückung konnten sie zeilebens nicht vergessen. So erzählten die älten gelegentlich allerhand Geschichten vom Kampf um ihre Gleichberechtigung auf ihrer Arbeitsstelle.

Beim ersten Bergarbeiterstreik im Jahre 1889 wurde eine Kompanie des Infanterieregiments Nr. 70, das in Saarbrücken in Garnison lag, eines frühen Morgens alarmiert und nach der Grube Von der Heydt abkommandiert, um den Streik der Bergleute rücksichtslos niederzuschlagen. Der Hauptmann und Kompanieführer soll auf dem Kasernenhof seinen Soldaten empört zugerufen habe: "Auf nach Von der Heydt! Die niedrigste Klasse der Menschheit hat sich empört.". Man kann sich also nur zu gut vorstellen, in welchem Ansehen der Bergmann damals stand. 

Die Grube Von der Heydt wurde damals vom allgewaltigen Bergrat Jahns regiert, der "ungekrönte König des Köllertales" genannt. Rücksichtslos warf er die Bergleute, die sich am Streik beteiligten und gegen die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen im Bergbau aufbegehrten, auf die Strasse, d.h. sie wurden entlassen, und um seine Macht richtig zu demonstrieren, liess er die Grube von Soldaten besetzen. Das Los der Arbeitslosigkeit traf die Unglücklichen schwer, zumal sie sich doch im vollen Recht befanden und nichts weiter taten, als um ein menschenwürdiges Dasein zu kämpfen.

Die Strasse zwischen Etzenhofen und Walpershofen

Meistens waren es zudem verheiratete Menschen mit einer Zahl Kinder, die versorgt werden mussten. Die Gemeinden mussten sich der Bedauernswerten annehmen und so wurde die Strasse zwischen Etzenhofen und Walpershofen gebaut, wo die arbeitslosen Bergleute beschäftigt werden konnten.

Die Strasse bog in Etzenhofem am Hause des Theodor kraus, der Schreinerei Schuler, links ab in Richtung des Walpershofener Steinbruchs, der heutigen Steinfabrik Dr. Schäfer. Sie mündete schliesslich vor der Bachbrücke in die dortige Dorfstrasse ein. Vorher hatte nur ein schmaler Fusspfad die beiden Dörfer verbunden. Die Steine zum Strassenbau wurden im Steinbruch gebrochen und die mauergerechten Steine benutzte man zum Bau der beiden kleinen Bachbrücken über den sogenannten Stehler Bach, der eigentlich Mersbach hiess und am Lampennest bei Güchenbach einer Quelle entsprang.

Das Bachbett war zwischen Etzenhofen und Walpershofen zweigeteilt, den Stehlergraben und dem Stehlerbach. In beiden Bächen zwischen den Dörfern Etzenhofen und Walpershofen war die Sohle mit Steinplatten ausgelegt worden, über die man vor Ausbau der Strasse springen musste, um trockenen Fusses auf die andere Seite zu kommen. über diesen Fusspfad wickelte sich der Verkehr im Köllertal ab, wenn man nach Walpershofen oder nach Heusweiler zum Arzt oder in die Apotheke musste. Der Kirchenpfad von Walpershofen nach Kölln führte auch über diese beiden Bächlein und bei Hochwasser konnte es zum Risiko werden, trockenen Fusses auf das jenseitige Ufer zu gelangen. Die Walpershofener Einwohner, gleich ob evangelisch oder katholisch gehörten nach Kölln in die jeweilige Pfarrei.

Vor dem Jahre 1899 gingen beide Konfessionen in die alte Martinskirche in Kölln zum Gottesdienst, der abwechselnd von Katholiken und Lutheranern abgehalten wurde. Erst im Jahre 1899 wurde dieser unhaltbare Zustand dann schliesslich geändert. Die kleine Martinskirche konnte die Kirchgänger kaum noch fassen. 1896 wurde deshalb mit dem Bau der katholischen Kirche in Kölln begonnen, die drei Jahre später eingeweiht werden konnte.

Von dem genannten Hause Krauss in Etzenhofen verlief geradeaus ein Fahrweg nach Güchenbach zum Ortsteil Stumpen durch die Stehler Wiesen, den Stelzberg hinauf und endete auf dem Stumpen in die Strasse, die von Lebach kam und nach Saarbrücken führte. Eine Wegstrecke von 15 Kilometern, wozu man zu Fuss zweieinhalb bis drei Stunden benötigte auf den holprigen Strassen.

1908 wurde erst eine elektrische Strassenbahn von Heusweiler nach Saarbrücken eingerichtet und ab dem 1. Oktober 1911 wurde die Eisenbahnstrecke Völklingen - Lebach in Betrieb genommen. Auf halbem Weg zwischen Saarbrücken und Riegelsberg zweigte rechts der Weg nach der Grube Von der Heydt ab. 

Das lässt mich wieder auf den berüchtigten Bergrat Jahns zurückkommen den man auch einen ostelbischen Junker nannte. Er soll übrigens von Schlesien aus nach hier versetzt worden sein. Seine Frau, die nur mit "Gnädige Frau" angeredet werden durfte, hatte noch nie einen Bergmann gesehen, als sich sich hier feudal in Von der Heydt niederliess, und wusste daher auch nicht recht, in welche Tiergattung denn wohl ein Bergmann eingestuft werden sollte.

Sie bat deshalb ihren Mann, ihr doch einmal einen Bergmann zu zeigen. Eines Tages wurde ein solcher aufgefordert, sich im Hause des Gewaltigen zu melden. Das Dienstmädchen meldete gehorsamst der Herrin das Eintreffen des Bergmannes, und da diese gerade etwas Besseres zu tun hatte, veranlasste sie das Dienstmädchen, den Bergmann solange in den Stall zustellen, bis sie zur Besichtigung Zeit hätte. Die Gnädige war nämlich fest davon überzeugt, dass es sich bei einem Bergmann um irgendeine Tiergattung handeln musste, sonst hätte sie doch wohl dessen Unterbringung im Stall nicht veranlassen können und dem Dienstmädchen befahl, diesem Zwitterding zwischen Ochsen und Esel etwas Heu in die Raufe zu geben, bis sie sich das Tier ansehen könnte.

Im Jahre 1906, ich war gerade 10 Jahre alt, machte mein Vater mit meinen Brüdern und mir einen Sonntagsspaziergang nach Von der Heydt, wo mein Bruder, der sechs Jahre älter war als ich, als Bergmann beschäftigt war. Als wir am Hause des Bergrates Jahns vorbeigingen, zeigte mein Vater uns den Stall, wo früher der gerade beschriebene Bergmann auf die Gnädige Frau warten musste, um vorgestellt zu werden. Wir sahen in unserer Phantasie wohl den armen Schlucker noch angekettet an der Futterkrippe stehen zu sehen, mit den Hinterbeinen ausschlagend und wiehernd wie ein Pferd. Diese Legende, von meinem Vater oft erzählt, ist im Köllertal bis heute lebendig geblieben, und auch wenn man über "solche Geschichten" heute vielleicht lacht, so charakterisieren sie doch die tatsächliche Rechtlosigkeit des Bergmannes, so wie er in diesen Zeiten leben musste.

Hundert Jahre Postamt Püttlingen

Am 13. Oktober 1874 erhielt Püttlingen seine erste Postagentur in der Völklingerstrasse 20, jetzt Rathausplatz Hotel zur Post. Als Postagent wurde der damals 56-jährige Nicolaus Nauert unter der berufsbezeichnung Postsekretär eingesetzt. Diese Einrichtung brachte für das ganze untere Köllertal eine erhebliche Verbesserung auf diesem Gebiet in unsere Dörfer. Schon im darauffolgenden Jahr fuhr täglich ein Fuhrwerk zwischen Püttlingen und Völklingen, welches Briefe, Pakete und Reisende beförderte. Vorher versorgte der Landbriefträger von Völklingen aus wöchentlich zweimal zu Fuss die Bewohner mit Post.

Es waren sogar Schalterstunden festgesetzt und zwar: 

an Wochentagen von 7.00 - 12.00 h und von 13.00 - 16.00 h
im Winter von 8.00 - 12.00 h und von 13.00 - 16.00 h
an Sonntagen von 7.00 - 9.00 h bzw. von 8.00 - 9.00 Uhr

Eine Statistik aus dem Jahre 1875 gibt den täglichen Umfang der Post sendungen mit 30 Briefen, 4,4 Postanweisungen, eine Sendung mit deklariertem Wert und 2,4 Pakete an, die von den Bürgern aufgegeben worden waren, und für die Eingänge 48 Biefe pro Tag, 0,4 Postanweisungen, 0,1 Sendungen und 4,5 gewöhnliche Pakete.

Durch die ständige Zunahme der Bevölkerung erwies sich schon ein paar Jahre später diese Einrichtung als unzureichend und vom 12. November 1881 an wurde auf Antrag von der kaiserlichen Oberpostdirektion eine zweite, täglich gefahrene Linie eingerichtet. Diese Fahrt begann täglich um 5.20 Uhr in Völklingen. Neben Püttlingen wurde auch mit dieser Linie die Orte Altenkessel, neudorf, Rockershausen, Engelfangen, Kölln, Rittenhofen, Sellerbach und Etzenhofen mit Post versorgt. Jedoch erfolgte die Zustellung in den 5 letztgenannten Orten von Püttlingen aus durch Landbriefträger.

Im gleichen Zeitraum erhielt auch Püttlingen eine Telegraphenstation, denn das weite Hinterland, welches Püttlingen postalisch zuversorgen hatte, verhalf diesem Dorf zu einer schnelleren Entwicklung. Zu Anfang waren auch die Briefkästen noch aus Holz, mussten deshalb durch die Witterungseinflüsse bedingt ständig erneuert werden und wurden schliesslich auf Kosten und durch Beschluss des Gemeinderates durch gusseiserne Einheitskästen ersetzt. Für die Beschaffung und Unterhaltung der Kästen war die jeweilige Gemeinde verantwortlich. 

Ein paar Jahre später sah sich der Posthalter in Püttlingen erneut genötigt, bei der Oberpostdirektion in Trier um die Umwandlung der Postagentur in ein Postamt zu ersuchen. Diesem Antrag wurde dann im Jahr 1890 stattgegeben, denn der Postverkehr hatte in Folge der Industrialisierung des gesamten Köllertaler Raumes (Gründung der Röchling Eisen- und Stahlwerke, Erschliessung der Kohlegruben in unserem Raum) einen solchen Umfang angenommen, dass eine Erweiterung des Postbetriebes nicht mehr zu umgehen war. Die enge postalische Verbindung zwischen Völklingen und dem unteren Köllertal ist bis heute geblieben, da Völklingen den Knotenpunkt zwischen Saarbrücken auf der Strecke nach Trier bildet.

Am 1. November übernahm der Postsekretär Holzer das Postamt Püttlingen. In den folgenden Jahren wurden alle bereits genannten Orte im Köllertal von Püttlingen aus weiter bedient. 

Ende März 1901 fassten mehrere Gemeinderäte des unteren Köllertales den Beschluss, Fernsprechämter einzurichten, bzw. diese Einrichtungen bei der Oberpostdirektion zu beantragen. Auch diesem Antrag wurde stattgegeben und in Kölln, Sellerbach und Walpershofen wurden Fernsprechämter installiert. In der zweiten Märzhälfte 1901 wurde zwischen Püttlingen und Saarbrücken eine 12-sitzige, motorisierte Postkutsche in Betrieb genommen, die die Strecke schliesslich dreimal täglich befuhr. 

Die nächste Postagentur wurde in Kölln im Hause des Nokolaus Lydorf eingerichtet und dieser versah auch gleichzeitig den Dienst als Postagent. Die weiteren Köllertaler Dörfer Engelfangen, Sellerbach, Etzenhofen und Rittenhofen wurden ab diesem Zeitpunkt von Kölln aus bedient. Herchenbach, dass bisher von Heusweiler aus betreut worden war, verblieb die Postzustellung bei der bsiherigen Regelung bis zu dem Zeitpunkt, als Herchenbach seine eigene Postagentur erhielt.

Die eigentlichen Begründer dieses deutschen Postwesens sind die Grafen Thurn und Taxis, ein ehemaliges reichsunmittelbares Grafengeschlecht, das eigentlich aus Italien stammte, seit 1899 Herzöge von Wörth und Donaustaufen.

Franz von Thurn errichtete 1516 die erste Post zwischen Wien und Brüssel ein, wofür sein Haus das Reichsgeneralpostmeisteramt erhielt. 1624 wurde seine Familie in den Reichsgrafenstand und 1695 zu Reichsfürsten erhoben. 

Im Jahre 1867 schliesslich kaufte das Geschlecht die noch verbliebenen Postgerechtsame an Preussen. Wie bereits erwähnt, hatte Gräfin Eleonore Klara bereits 1680 die erste Postagentur in Saarbrücken errichten lassen. Damals kam der erste Postvertrag zwischen dem Hause der Grafen von Thurn und Taxis und der Grafschaft Naussau-Saarbrücken zustande. Thurn und Taxis erhielten die Postgerechtsame und hatten dafür eine jährliche Gebühr an das Saarbrücker Grafenhaus zu entrichten. Durch dieses Lehensrecht wurde Thurn und Taxis verpflichtet, Postkutschen zu unterhalten, die Geld, Briefe, Pakete sowie Personen beförderten.

Von den vereinnahmten Gebühren brauchten sie nur den vereinbarten Pachtzins zu zahlen. Die Pferde wurden auf jeder grösseren Poststation ausgewechselt. So wurden die ersten grossen Postverbindungen von Wien über alle grossen Städte Westeuropas bis hin nach Paris hergestellt und mit allen Staaten wurden Postverträge ausgehandelt. Es dauerte jedoch, wie bereits erzählt, noch zweihundert Jahre, bis die Postkutsche auch ihren Weg von Saarbrücken nach Püttlingen fand. 

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