Johann Warken war denn auch der erste Gewerkschaftssekretär,
der die Interessen seiner Kameraden vertrat. Später wurde aus diesem
Rechtsschutzverein die freien Gewerkschaften und im Jahre 1904 ging man dann
auch zur Gründung einer Christlichen Gewerkschaften über, da die freien
Gewerkschaften "im Ruch standen", Anhänger der Sozialdemokratie zu sein. Heute
mutet so etwas lächerlich an, denn die Idee der Gewerkschaften hat sich für alle
als etwas Selbstverständliches eingestellt.
Mit der Gründung des
Rechtschutzverein begann erst der eigentliche Kampf um dessen Anerkennung. Eine
Anzahl Bergleute, von denen man wusste, dass sie Mitglieder der Gewerkschaften
waren, wurden rücksichtslos entlassen und waren auf die mehr als nur materielle
Hilfe ihrer Kameraden angewiesen, bis sie von den Gemeinden nach und nach im
Strassenbau oder bei Bauunternehmern unterbringen konnten. Eine
Arbeitslosenunterstützung gab es damals nicht.
Aber auch die bittersten
Jahre nahmen ihr Ende und langsam aber unaufhaltsam erkämpften sich die
Gewerkschaften ihre Anerkennung, aber die bitteren Jahre der Unterdrückung
konnten sie zeilebens nicht vergessen. So erzählten die älten gelegentlich
allerhand Geschichten vom Kampf um ihre Gleichberechtigung auf ihrer
Arbeitsstelle.
Beim ersten Bergarbeiterstreik im Jahre 1889 wurde eine
Kompanie des Infanterieregiments Nr. 70, das in Saarbrücken in Garnison lag,
eines frühen Morgens alarmiert und nach der Grube Von der Heydt abkommandiert,
um den Streik der Bergleute rücksichtslos niederzuschlagen. Der Hauptmann und
Kompanieführer soll auf dem Kasernenhof seinen Soldaten empört zugerufen habe:
"Auf nach Von der Heydt! Die niedrigste Klasse der Menschheit hat sich empört.".
Man kann sich also nur zu gut vorstellen, in welchem Ansehen der Bergmann damals
stand.
Die Grube Von der Heydt wurde damals vom allgewaltigen Bergrat
Jahns regiert, der "ungekrönte König des Köllertales" genannt. Rücksichtslos
warf er die Bergleute, die sich am Streik beteiligten und gegen die
menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen im Bergbau aufbegehrten, auf die Strasse,
d.h. sie wurden entlassen, und um seine Macht richtig zu demonstrieren, liess er
die Grube von Soldaten besetzen. Das Los der Arbeitslosigkeit traf die
Unglücklichen schwer, zumal sie sich doch im vollen Recht befanden und nichts
weiter taten, als um ein menschenwürdiges Dasein zu kämpfen.
Meistens waren es zudem verheiratete Menschen mit einer Zahl
Kinder, die versorgt werden mussten. Die Gemeinden mussten sich der
Bedauernswerten annehmen und so wurde die Strasse zwischen Etzenhofen und
Walpershofen gebaut, wo die arbeitslosen Bergleute beschäftigt werden
konnten.
Die Strasse bog in Etzenhofem am Hause des Theodor kraus, der
Schreinerei Schuler, links ab in Richtung des Walpershofener Steinbruchs, der
heutigen Steinfabrik Dr. Schäfer. Sie mündete schliesslich vor der Bachbrücke in
die dortige Dorfstrasse ein. Vorher hatte nur ein schmaler Fusspfad die beiden
Dörfer verbunden. Die Steine zum Strassenbau wurden im Steinbruch gebrochen und
die mauergerechten Steine benutzte man zum Bau der beiden kleinen Bachbrücken
über den sogenannten Stehler Bach, der eigentlich Mersbach hiess und am
Lampennest bei Güchenbach einer Quelle entsprang.
Das Bachbett war
zwischen Etzenhofen und Walpershofen zweigeteilt, den Stehlergraben und dem
Stehlerbach. In beiden Bächen zwischen den Dörfern Etzenhofen und Walpershofen
war die Sohle mit Steinplatten ausgelegt worden, über die man vor Ausbau der
Strasse springen musste, um trockenen Fusses auf die andere Seite zu kommen.
über diesen Fusspfad wickelte sich der Verkehr im Köllertal ab, wenn man nach
Walpershofen oder nach Heusweiler zum Arzt oder in die Apotheke musste. Der
Kirchenpfad von Walpershofen nach Kölln führte auch über diese beiden Bächlein
und bei Hochwasser konnte es zum Risiko werden, trockenen Fusses auf das
jenseitige Ufer zu gelangen. Die Walpershofener Einwohner, gleich ob evangelisch
oder katholisch gehörten nach Kölln in die jeweilige Pfarrei.
Vor dem
Jahre 1899 gingen beide Konfessionen in die alte Martinskirche in Kölln zum
Gottesdienst, der abwechselnd von Katholiken und Lutheranern abgehalten wurde.
Erst im Jahre 1899 wurde dieser unhaltbare Zustand dann schliesslich geändert.
Die kleine Martinskirche konnte die Kirchgänger kaum noch fassen. 1896 wurde
deshalb mit dem Bau der katholischen Kirche in Kölln begonnen, die drei Jahre
später eingeweiht werden konnte.
Von dem genannten Hause Krauss in
Etzenhofen verlief geradeaus ein Fahrweg nach Güchenbach zum Ortsteil Stumpen
durch die Stehler Wiesen, den Stelzberg hinauf und endete auf dem Stumpen in die
Strasse, die von Lebach kam und nach Saarbrücken führte. Eine Wegstrecke von 15
Kilometern, wozu man zu Fuss zweieinhalb bis drei Stunden benötigte auf den
holprigen Strassen.
1908 wurde erst eine elektrische Strassenbahn von
Heusweiler nach Saarbrücken eingerichtet und ab dem 1. Oktober 1911 wurde die
Eisenbahnstrecke Völklingen - Lebach in Betrieb genommen. Auf halbem Weg
zwischen Saarbrücken und Riegelsberg zweigte rechts der Weg nach der Grube Von
der Heydt ab.
Das lässt mich wieder auf den berüchtigten Bergrat Jahns
zurückkommen den man auch einen ostelbischen Junker nannte. Er soll übrigens von
Schlesien aus nach hier versetzt worden sein. Seine Frau, die nur mit "Gnädige
Frau" angeredet werden durfte, hatte noch nie einen Bergmann gesehen, als sich
sich hier feudal in Von der Heydt niederliess, und wusste daher auch nicht
recht, in welche Tiergattung denn wohl ein Bergmann eingestuft werden
sollte.
Sie bat deshalb ihren Mann, ihr doch einmal einen Bergmann zu
zeigen. Eines Tages wurde ein solcher aufgefordert, sich im Hause des Gewaltigen
zu melden. Das Dienstmädchen meldete gehorsamst der Herrin das Eintreffen des
Bergmannes, und da diese gerade etwas Besseres zu tun hatte, veranlasste sie das
Dienstmädchen, den Bergmann solange in den Stall zustellen, bis sie zur
Besichtigung Zeit hätte. Die Gnädige war nämlich fest davon überzeugt, dass es
sich bei einem Bergmann um irgendeine Tiergattung handeln musste, sonst hätte
sie doch wohl dessen Unterbringung im Stall nicht veranlassen können und dem
Dienstmädchen befahl, diesem Zwitterding zwischen Ochsen und Esel etwas Heu in
die Raufe zu geben, bis sie sich das Tier ansehen könnte.
Im Jahre 1906,
ich war gerade 10 Jahre alt, machte mein Vater mit meinen Brüdern und mir einen
Sonntagsspaziergang nach Von der Heydt, wo mein Bruder, der sechs Jahre älter
war als ich, als Bergmann beschäftigt war. Als wir am Hause des Bergrates Jahns
vorbeigingen, zeigte mein Vater uns den Stall, wo früher der gerade beschriebene
Bergmann auf die Gnädige Frau warten musste, um vorgestellt zu werden. Wir sahen
in unserer Phantasie wohl den armen Schlucker noch angekettet an der
Futterkrippe stehen zu sehen, mit den Hinterbeinen ausschlagend und wiehernd wie
ein Pferd. Diese Legende, von meinem Vater oft erzählt, ist im Köllertal bis
heute lebendig geblieben, und auch wenn man über "solche Geschichten" heute
vielleicht lacht, so charakterisieren sie doch die tatsächliche Rechtlosigkeit
des Bergmannes, so wie er in diesen Zeiten leben musste.
Am 13.
Oktober 1874 erhielt Püttlingen seine erste Postagentur in der Völklingerstrasse
20, jetzt Rathausplatz Hotel zur Post. Als Postagent wurde der damals 56-jährige
Nicolaus Nauert unter der berufsbezeichnung Postsekretär eingesetzt. Diese
Einrichtung brachte für das ganze untere Köllertal eine erhebliche Verbesserung
auf diesem Gebiet in unsere Dörfer. Schon im darauffolgenden Jahr fuhr täglich
ein Fuhrwerk zwischen Püttlingen und Völklingen, welches Briefe, Pakete und
Reisende beförderte. Vorher versorgte der Landbriefträger von Völklingen aus
wöchentlich zweimal zu Fuss die Bewohner mit Post.
Es waren sogar
Schalterstunden festgesetzt und zwar:
an Wochentagen von 7.00 - 12.00 h
und von 13.00 - 16.00 h
im Winter von 8.00 - 12.00 h und von 13.00 - 16.00
h
an Sonntagen von 7.00 - 9.00 h bzw. von 8.00 - 9.00 Uhr
Eine
Statistik aus dem Jahre 1875 gibt den täglichen Umfang der Post sendungen mit 30
Briefen, 4,4 Postanweisungen, eine Sendung mit deklariertem Wert und 2,4 Pakete
an, die von den Bürgern aufgegeben worden waren, und für die Eingänge 48 Biefe
pro Tag, 0,4 Postanweisungen, 0,1 Sendungen und 4,5 gewöhnliche
Pakete.
Durch die ständige Zunahme der Bevölkerung erwies sich schon ein
paar Jahre später diese Einrichtung als unzureichend und vom 12. November 1881
an wurde auf Antrag von der kaiserlichen Oberpostdirektion eine zweite, täglich
gefahrene Linie eingerichtet. Diese Fahrt begann täglich um 5.20 Uhr in
Völklingen. Neben Püttlingen wurde auch mit dieser Linie die Orte Altenkessel,
neudorf, Rockershausen, Engelfangen, Kölln, Rittenhofen, Sellerbach und
Etzenhofen mit Post versorgt. Jedoch erfolgte die Zustellung in den 5
letztgenannten Orten von Püttlingen aus durch Landbriefträger.
Im
gleichen Zeitraum erhielt auch Püttlingen eine Telegraphenstation, denn das
weite Hinterland, welches Püttlingen postalisch zuversorgen hatte, verhalf
diesem Dorf zu einer schnelleren Entwicklung. Zu Anfang waren auch die
Briefkästen noch aus Holz, mussten deshalb durch die Witterungseinflüsse bedingt
ständig erneuert werden und wurden schliesslich auf Kosten und durch Beschluss
des Gemeinderates durch gusseiserne Einheitskästen ersetzt. Für die Beschaffung
und Unterhaltung der Kästen war die jeweilige Gemeinde verantwortlich.
Ein paar Jahre später sah sich der Posthalter in Püttlingen erneut
genötigt, bei der Oberpostdirektion in Trier um die Umwandlung der Postagentur
in ein Postamt zu ersuchen. Diesem Antrag wurde dann im Jahr 1890 stattgegeben,
denn der Postverkehr hatte in Folge der Industrialisierung des gesamten
Köllertaler Raumes (Gründung der Röchling Eisen- und Stahlwerke, Erschliessung
der Kohlegruben in unserem Raum) einen solchen Umfang angenommen, dass eine
Erweiterung des Postbetriebes nicht mehr zu umgehen war. Die enge postalische
Verbindung zwischen Völklingen und dem unteren Köllertal ist bis heute
geblieben, da Völklingen den Knotenpunkt zwischen Saarbrücken auf der Strecke
nach Trier bildet.
Am 1. November übernahm der Postsekretär Holzer das
Postamt Püttlingen. In den folgenden Jahren wurden alle bereits genannten Orte
im Köllertal von Püttlingen aus weiter bedient.
Ende März 1901 fassten
mehrere Gemeinderäte des unteren Köllertales den Beschluss, Fernsprechämter
einzurichten, bzw. diese Einrichtungen bei der Oberpostdirektion zu beantragen.
Auch diesem Antrag wurde stattgegeben und in Kölln, Sellerbach und Walpershofen
wurden Fernsprechämter installiert. In der zweiten Märzhälfte 1901 wurde
zwischen Püttlingen und Saarbrücken eine 12-sitzige, motorisierte Postkutsche in
Betrieb genommen, die die Strecke schliesslich dreimal täglich befuhr.
Die nächste Postagentur wurde in Kölln im Hause des Nokolaus Lydorf
eingerichtet und dieser versah auch gleichzeitig den Dienst als Postagent. Die
weiteren Köllertaler Dörfer Engelfangen, Sellerbach, Etzenhofen und Rittenhofen
wurden ab diesem Zeitpunkt von Kölln aus bedient. Herchenbach, dass bisher von
Heusweiler aus betreut worden war, verblieb die Postzustellung bei der
bsiherigen Regelung bis zu dem Zeitpunkt, als Herchenbach seine eigene
Postagentur erhielt.
Die eigentlichen Begründer dieses deutschen
Postwesens sind die Grafen Thurn und Taxis, ein ehemaliges reichsunmittelbares
Grafengeschlecht, das eigentlich aus Italien stammte, seit 1899 Herzöge von
Wörth und Donaustaufen.
Franz von Thurn errichtete 1516 die erste Post
zwischen Wien und Brüssel ein, wofür sein Haus das Reichsgeneralpostmeisteramt
erhielt. 1624 wurde seine Familie in den Reichsgrafenstand und 1695 zu
Reichsfürsten erhoben.
Im Jahre 1867 schliesslich kaufte das Geschlecht
die noch verbliebenen Postgerechtsame an Preussen. Wie bereits erwähnt, hatte
Gräfin Eleonore Klara bereits 1680 die erste Postagentur in Saarbrücken
errichten lassen. Damals kam der erste Postvertrag zwischen dem Hause der Grafen
von Thurn und Taxis und der Grafschaft Naussau-Saarbrücken zustande. Thurn und
Taxis erhielten die Postgerechtsame und hatten dafür eine jährliche Gebühr an
das Saarbrücker Grafenhaus zu entrichten. Durch dieses Lehensrecht wurde Thurn
und Taxis verpflichtet, Postkutschen zu unterhalten, die Geld, Briefe, Pakete
sowie Personen beförderten.
Von den vereinnahmten Gebühren brauchten sie
nur den vereinbarten Pachtzins zu zahlen. Die Pferde wurden auf jeder grösseren
Poststation ausgewechselt. So wurden die ersten grossen Postverbindungen von
Wien über alle grossen Städte Westeuropas bis hin nach Paris hergestellt und mit
allen Staaten wurden Postverträge ausgehandelt. Es dauerte jedoch, wie bereits
erzählt, noch zweihundert Jahre, bis die Postkutsche auch ihren Weg von
Saarbrücken nach Püttlingen fand.
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