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Dienstag, 14. Januar 2014

Geschichten aus dem Köllertal II

Die Verfassung des Saarbrücker Landes

Sie beruhte im wesentlichen auf drei Säulen, der Gerichtsherrschaft, der Grundherrschaft und der Leibherrschaft. Das Charakteristische der Saarbrücker Grafschaft bestand nun darin, dass der Fürst fast überall alleiniger Grund- und Leibherr sowie oberster Richter war.

Als oberstem Gerichtsherren unterstanden ihm seit Jahrhunderten die mittlere und obere Gerichtsbarkeit. Dies galt sowohl für Strafsachen als auch für die bürgerliche Rechtssprechung. Nur die niedere Gerichtsbarkeit, d.h. die Verhängung von Polizeistrafen war örtlich gebunden und wurde vom "Meier", dem Bürgermeister ausgeübt. 

Als Grundherr beanspruchte der Fürst von allen abhängigen Bauerngütern, wie schon erwähnt, die Abgabe an Frucht, Geld und Tieren. Diese Abgaben wurden "Fruchtschaft", "Schafftgeld" oder auch nur "Schafft" genannt. Die Bauerngüter hiessen im Saarbrücker Land, nach den Schafftzetteln, die erhalten blieben, "Vogteien".



Als Leibherren waren dem Fürsten alle untertan, mit Ausnahme der Bürger der zwei Städte Saarbrücken und Sankt Johann, sowie einiger Personen im Land, die im Besitz eines sog. "Freiheitsbriefes" waren. Das hiess, dass kein Leibeigener aus dem Land ziehen oder gar sich ausserhalb verheiraten durften, ohne sich vorher freigekauft zu haben. Der Leibeigene hatte eine Reihe von Abgaben zu bezahlen, von denen der Freie verschont blieb.

Den Freiheitsbrief besassen nur die wenigsten, der Hofadel, die Geistlichen, ein paar hohe Staatsbeamte und vereinzelt auch ganz wenige reiche Bürger, die sich mit ihrem Geld den Freiheitsbrief leisten konnten.

Vom leibeigenen Bauern musste der "Grosse Zehnte" des Grundstückertrages abgeliefert werden, zwei Drittel davon behielt der Graf für sich, den Rest bekam die Geistlichkeit, die davon ihren Unterhalt bestritt. Der "kleine Zehnte" bestand aus der Ablieferung von Spanferkeln, Lämmern, Gänsen und Immen. Hinzu kamen zwei weitere Dienstleistungen, das sog. "gezwungene Jahr" und die Fron.

Jeder männliche Leibeigene musste, wie bereits erwähnt, vor seiner Heirat ein Jahr beim Fürsten ohne Entgeld Knechtsdienste leisten, bei den Mädchen begnügte man sich mit einem halben Jahr. 

Beim Frondienst musste man zwischen dem "Handfron" und den "Spannfron" unterscheiden. Der "Handfröner", meist ein besitzloser Leibeigener, hatte seinen Dienst bei der Ackerbestellung des Fürsten, beim Wegebau und dergleichen abzuleisten, während der "Spannfröner" mit seinem Gespann, daher der Name, zu erscheinen hatte, um die verschiedensten Fuhren durchzuführen. Nach dem Historiker Prof. Ruppersberg musste der Handfröner pro Jahr 32 Tage Dienst leisten, der Spannfröner mit jedem Ochsen je zwölf Tage dienen. Der leibeigene Handwerker musste 24 Tage, eine Witwe ohne Fuhre z.B. 16 Tage frönen. Man konnte sich jedoch mit 10 bis 18 Florin (lies: Gulden) loskaufen. Auch die Arbeit der Tiere konnte mit Geld abgegolten werden. Der Loskauf für ein paar Ochsen oder zwei Pferdegespanne betrug 4 Florin (eine ursprünglich in Florenz geprägte Münze, daher Florin oder Floren für die Mehrzahl genannt, die im Wert einem Gulden entsprach).

Doch mit diesen Diensten allein war es nicht getan, hinzu kam z.B. auch die Jagdfron. Der Jagdfröner hatte an Jagdtagen das Wild zu treiben, das erlegte Wild zu tragen und Meldegängerdienste zu leisten.

Zu alledem hatte der Leibeigene noch zusätzlich, neben dem Zehnten vier Fass Korn, 1 Fass Hafer und 1 Denier in Geld zu entrichten, einer Münzeinheit, die wohl dem Wert von einem Zehntel Lot Silber entsprach.

Neben diesen allgemeinen Rechten oder Regalien, wie sie damals genannt wurden, die dem Fürsten von Saarbrücken wie jedem anderen Fürsten zustanden, hatten sie die Saarbrücker Fürsten noch eine Reihe anderer Regalien zu verschaffen gewusst.


1. Der "zehnte" Pfennig
Der "zehnte" Pfennig, hatte nichts mit dem "Zehnten" zu tun. Er wurde nur entrichtet, wenn ein Leibeigener sich losgekauft hatte, um ausser Landes zu ziehen. Verkaufte er bei dieser Gelegenheit sein Hab und Gut, so hatte er den zehnten Teil dessen an seinen obersten Gerichtsherren abzuführen, was er als Erlös erzielte, den sog. "Verkaufsschilling". Ausserdem musste der so Geschröpfte noch die Gebühr für den Loskaufschein entrichten, die sog. "Manumissionstaxe".


2. Salzdebit, Ohmgeld, Uffschlag, Pfenniggeld und Lagergeld
Auch früher besteuerte man gerne Tabak, Branntwein und Salz. Das Salz wurde nur durch die landesherrliche Regierung in der Salzkammer zu Saarbrücken verkauft, wo auch der Preis bestimmt wurde. Ein ähnliches Monopol besass auch die gräfliche Regierung über den Branntwein und den Tabak. Verkauft wurden diese Genussmittel nur über die Admodiatores, die dafür wiederum eine besondere Pachtsteuer zu entrichten hatten.

Für Bier und Wein erhob man je Fuder 2 Florin als Lagergeld. Beim Kleinverkauf wurde das sog. "Ohmgeld" erhoben, das der Hälfte des Umsatzes entsprach. Daneben musste auch noch der "Uffschlag" von 20 Albus für die Ohm zu 25 Mass, ferner das "Pfenniggeld", das bei Bier und Most 3 Albus von der kleinen Ohm und bei Wein 6 Albus betrug.


3. Der Demet von den Schweinen

Der "Demeth", der auch "Deme", "Demet" oder "Demut" geschrieben wird, wurde für das Weiden der Schweine durch Eicheln und Bucheckern in den grafschaftlichen Waldungen entrichtet und bestand aus einer jährlich zu entrichtenden Gebühr, die an die herrschaftlichen Renthey (lies: gräfliche Finanzkasse in Saarbrücken) gezahlt wurde.

So lesen wir beispielsweise in einer gräflichen Verordnung aus dem Jahre 1759 die Gemeinde Rittenhofen betreffenden folgendes:

Weyd Gerechtigkeit in der Gemeinde Rittenhofen

Das Rittenhofener Zug- und Rindvieh suchet die Weyde nicht nur auff den ohngeblümten Feldern ihres Bannes sondern auch in den ohnbehängten herrschaftlichen Waldungen des Cöllertales, wie auch im Wald, der Forst genannt; nur den langhalm zu denen Zeiten des Jahres wie solche die herrschaftliche Forstordnung beschränket. Ingleichen was das Grummet von den Wiesen ihres Bannes, bis den 15. April des folgenden Frühjahres (Anm.: nur bis 1. April nach herrschaftlichen Verordnung). Die Schweine geniessen nebst der Weyde und Eckermastung auf ihrem Bann, diese auch in den herrschaftlichen Waldungen jährlich bis 23. April.

Davon wird bisher jährlich der Demeth an die herrschaftliche Rentey entrichtet. 

Für einen Jährling (Anm.: einjähriges Schwein) 3 batzen, für einen Merzling 6 Kreuzer und von einem Erndtferkel 1 batzen. (Anm.: Jedem Gemeinsmann aber wird ein Zuchtschwein und der gemeine Böhr, der Eber vom Demeth freigehalten).

Das Schafvieh suchet die Weide nur allein auf den brachliegenden Feldern dieses bannes wie wohl auch mit dem Rindtvieh auf den Wiesen nach abgemähten Grummet, bis den 1. April des folgenden Frühjahres. 

Geissen und Böcke werden niemalen als nur nach Vorschrift der herrschaftlichen Forst Ordnung zu halten erlaubt. Sonsten hat keine angrenzende Gemeinde eigene Weydgerechtigkeit einigerlei (irgendeinem) Vieh zu Praetendiren (beanspruchen) wie dann auch die Gemeinde Rittenhofen selbsten nirgendwo die Weyde von ihr Vieh suchen darf als nur im Schwenzelborn, im Forst den Langhalm, soweit es den Landgraben schneidet.


4. Die Marktabgabe, Zoll- und Kreuzergeld, Koppelgeld
Die alte Marktabgabe im Saarbrücker Lande bestimmte, dass jeder der auf diesem Markte kaufte oder verkaufte, Zoll bezahlen musste. Sie betrug 2 Pfennig für je 2 Pfund Umsatz. Unter Pfund ist hier nicht etwa ein Gewicht zu verstehen, sondern eine Geldsumme, vergleichbar etwa dem Wert des englischen Pfundes, 20 Schillinge entsprechen dabei 240 Pfennigen.

Mit der Zeit wurde den Grafen der Zoll von zwei Pfennig pro Pfund zu gering und flugs wurde der Marktzoll verdoppelt und schon nannte man den Marktzoll "Kreuzergeld", weil 4 Pfennige einen Kreuzer ausmachten. Diese sogenannte "Marktsteuer" wurde dabei immer zwischen dem Käufer und dem Verkäufer aufgeteilt.

Brachte ein Bauer seine Frucht auf den Markt, so hatte er seit dem Ende des 16. Jahrhunderts auch auf die verkaufte Frucht eine Abgabe zu errichten. Sie betrug von einem Malter 1/2 Mülster. Ein Malter wurde in 2 Quart, oder 8 Fass oder 32 Mülster unterteilt, was einer Menge von 160 Litern entsprach. Die Abgabe betrug also etwa 1.5 Prozent. 


5. Das Bannrecht und das Zwangsrecht

Der Landesherr hatte die Befugnis, von seinen Untertanen zu verlangen,dass sie in einer bestimmten Mühle ihr Getreide mahlen lassen mussten oder in einer bestimmten Brauerei ihr Bier zu kaufen. Daher kam der Ausdruck "gebannt" oder "gebunden". Das "Bannrecht" musste von dem Müller oder Bierbrauer oder von einer Tontöpferei zuerst erworben werden. 

Natürlich hatte der Graf auch das Recht, nur gewisse Klassen seiner Untertanen an die Bannrecht besitzenden Tontöpfer, Bierbrauer oder Müller zu binden, was man "Zwangsrecht" nannte. Diesem Zwang musste sich nicht jeder Untertan unterwerfen, sondern nur die unteren Klassen der Bürger, die Bessergestellten, die sich immer einer gewissen Bevorzugung erfreuen, waren davon befreit.


6. Die Auftragsgebühren
Genau wie heute gab es auch schon zu Fürstenzeiten für die Eintragung ins Grundbuch oder vor der Anlegung desselben die Eintragung beim Katasteramt, wofür Gebühren genommen wurden. 


7. Das Besthauptrecht
Beim Todes des Familienoberhauptes einer leibeigenen Familie, hatte der Graf das Recht, von den Hinterbliebenen das beste Stück der Hinterlassenschaft des Verstorbenen zu verlangen. Das konnte das beste Stück Vieh oder das wertvollste Gewand sein. Allerdings verfiel dieses Rechts schon einhundert Jahre vor der Französi schen Revolution und es wurde nur noch ganz vereinzelt vom Grafen davon Gebrauch gemacht.


8. Das Leibschaftsgeld
Wenn unverheiratete Kinder im elterlichen Haushalt wohnen blieben, mussten sie eine gewisse Summe als Leibschaftsgeld entrichten. Man staunt immer wieder, wofür nicht alles Gebühren eingeführt werden können.


9. Das Siegelgeld
Dies wurde bei Verkäufen oder Tauschgeschäften von Grundstücken vom fürstlichen Probsteiamt für die Ausfertigung von Urkunden erhoben und betrug drei Pfennige für das Pfund. 


10. Eine Erlaubnisgebühr
Die Saarbrücker Fürsten waren bestrebt, gewerbliche Unternehmen hier anzusiedeln. So entstanden Glashütten, Eisenschmelzen, Alaunhütten und dergleichen. Natürlich musste auch da wieder eine Gebühr entrichtet werden. Der Unternehmer, "Beständer" genannt, bezahlte eine Genehmigungsgebühr, die dementsprechen "Bestandsbrief" hiess.


11. Die Grubenabgaben
Da die Schätze unter der Erde, genau wie die über der Erde Eigentum der Fürsten waren, wurde auch hier wieder kassiert. Eine einzige Ausnahme wurde hier beim Kloster Wadgassen gemacht, welches die Abgabe einmal verweigert hatte und es zum Prozess darüber kommen lies. Bei einem Vergleich am Gericht wurde dem Kloster Wadgassen das Recht zuerkannt, die Grube Hostenbach in eigener Regie zu betreiben. So kam es, dass die Grube Hostenbach die einzige Privatgrube geblieben ist.

Die Rechte der Untertanen

Sehen wir einmal von den wenigen freien Menschen in der Stadt ab, so gab es in der Grafschaft Saarbrücken und auf dem Lande nur Leibeigene. Auf ihren Schultern waren soviele Lasten gelegt, dass man von ihren Rechten kaum zu sprechen wagt.

Die Bürger und Hintersassen, letzte auch "Schirmer" genannt, hatten es da schon besser. Als Bürger wurde nur der anerkannt, der ein eigenes Haus besass, Land hatte und in der Lage war, 2 Florin jährlich als Steuer zu bezahlen. Die Hintersassen hatten keinerlei bürgerliche Recht, standen aber unter dem Schutz des Grafen und mussten dafür jährlich 6 Floren "Schirmgeld" an den Grafen bezahlen.

Nach all den bereits kurz angerissenen Pflichten bzw. Steuern der Bürger ist nun von ihren Rechten zu sprechen, wobei weiss Gott nicht mehr viel übriggeblieben ist. Neben dem Schutz der Person und des Eigentums, den der Fürst seinen Untertanen gnädig gewährte, hatte der leibeigene Bürger, nicht jedoch der Hintersasse, den Anspruch, sein Vieh auf den Weiden des Fürsten zu lassen, sowie einen Anspruch auf eine gewisse Menge Holz aus dem fürstlichen Wald, das sog. "Beholzigungsrecht".

Beide Gerechtigkeiten schienen sich die ersten Rittenhofener Bauern, die bereits erwähnten Sebastian Türk (oder Durich, wie er im allgemeinen genannt wurde (Hans von Rittenhofen) und dessen Schwiegersohn, mein Vorfahr Sebastian Rupp (auch Reub, Reuppe geschrieben), erstritten zu haben bei Kauf des Rittenhofer Bannes. Bei einem Rechtsstreit im Jahre 1696 nämlich räumten beide dem Prozessgegner Jakob Kuhn aus Kölln die Befugnis ein, sein Vieh mit dem ihrigen in gemeinsamer Herde zur Weide zu treiben und zwar ausserhalb der "ohngeblümten" äcker ihres Eigentums, in den "ohnbehängten" Wäldern der Grafschaft nämlich. Dieser Passus deutet an, dass die Gräfin Eleonore Klara beim Verkauf der Ländereien an die beiden ersten Rittenhofer Bauern diesen die Erlaubnis erteilte, ihr Vieh in den gräflichen Waldungen weiden zu lassen. "Ohngeblümt" bedeutete dabei offensichtlich, dass diese Land brachlag.

Zu diesen Weydgerechtigkeiten und dem Beholzigungsrecht scheint später zur Zeit der Herrschaft des Grafen Wilhelm Heinrich noch das Recht des Deputatkohlenbezugs hinzugekommen zu sein.

Zur Vorgeschichte des "Köllertaler Waldprozesses"

Die Köllertaler Bauern scheinen seit eh und je streitbare Männer gewesen zu sein, obwohl in früheren Jahrhunderten von den Gräfinen Mathilde, Elisabeth von Lothringen und später auch von der leidgeprüften Eleonore Klara diesen Bauern bescheinigt wurde, die treuesten Untertanen der Saarbrücker Grafschaft zu sein.

Es musste denselben also im Laufe der Zeit grosses Unrecht zugefügt worden sein, denn etwas anderes ist nicht denkbar, was zu der Rebellion hätte führen können, von der jetzt die Rede sein soll.

Durch die aufwendige Hofhaltung der letzten Saarbrücker Grafen und deren gewagte finanziellen Spekulationen, die eine ewige "Ebbe" in der Renteykasse begründeten, verfiel man in Anbetracht der Tatsache, dass neue steuerliche Belastungen den Untertanen nicht mehr zuzumuten waren, auf die Idee, den Köllertaler Bauern das Waldrecht zu beschneiden und das anfallende Nutzholz zu verpfänden, um so flüssig werden zu können.

Salomon Alexander, ein aus Buchsweiler im Elsass stammender Jude und dessen Bruder Samuel betrieben damals zusammen das Fischbacher Eisenwerk und den Scheidter Hammer. Fürst Wilhelm Heinrich nahm oft, wenn er wieder knapp bei Kasse war, die Hilfe des Salomon Alexander in Anspruch. So vermittelte Alexander einmal einen Betrag von 50.000 französischen Livres in barem Geld und noch einmal den gleichen Betrag in Juwelen bei dem Bankier Witterstein in Metz, wie eine Urkunde im Staatsarchiv Koblenz (Abtl. 22 / 5035-37) erzählt.

Da die Geldnöte der gräflichen Rentkammer jedoch immer grösser wurden, kam man schliesslich auf den oben bereits angedeuteten Gedanken, Holz aus den gräflichen Staatsforsten zu verpfänden. Deshalb wurde am 27. Mai 1763 durch fürstliche Erlaubnis 50.000 Klafter Holz an Salomon Alexander veräussert, die dieser jedoch selbst innerhalb von zehn Jahren schlagen lassen musste. Der Erlös für dieses Geschäft betrug 150 000 frz. Livres.

Am 24. Dezember 1764 kam ein weiterer Holzverkauf von 60.000 Klafter zustande, für den Alexander noch ein Darlehen in Höhe von 100.000 Livres geben musste. Am 10. September des folgenden Jahres wiederholte sich das Geschäft, diesmal mit 12.000 Eichenstämmen. Der Preis wurde mit 3.5000 franz. Louis d'Or … 24 Livres, d.h. 84.000 Livres vereinbart, zu zahlen in vier Wechseln, die in vier aufeinanderfolgenden Jahren fällig wurden.

überraschenderweise wurden alle drei Holzkontrakte am 19. März 1767 aufgehoben, ohne dass aus den Akten die Gründe dafür ersichtlich wären. Entweder hatte man sich das so dringend benötigte Geld an der Rentkammer beschafft oder aber es stand überhaupt nicht mehr soviel schlagbares Holz in den gräflichen Waldungen zur Verfügung. Jedenfalls verzichtete Salomon Alexander auf das noch nicht geschlagene Holz und die Rentkammer vergütete ihm pro nicht geschlagenen Klafter Holz vier Livres. Bezahlt aber hatte er dafür nur drei Livres, teilweise nur 1,66 Livres, ein einträgliches Geschäft also. Weiterhin offen standen jedoch die von der gräflichen Rentkammer dem Alexander geliehenen Wechsel in Höhe von 230.000 Lives.

Wie hatte sich die gräfliche Rentkammer bloss auf solch gewagte Wechsel- und Geldgeschäfte einlassen können? Wilhelm Heinrich war in dieser Hinsicht von seinen persönlichen Referenten gewarnt worden. Er hatte jedoch bei seiner leichtsinnigen Lebensauffassung alle Warnungen in den Wind geschlagen.

Bei der Verteilung der Schulden im Erbvertrag von 1735 waren auf die saarländischen Lande 205.258 Floren gefallen. Bei seinem Regierungsantritt 1741 war der Betrag auf 183.300 Floren gesunken, aber bei seinem Tod hatte das Land plötzlich eine Schuldenlast von 1.891.740 Floren zu begleichen, fast das Zehnfache der ursprünglichen Schuld innerhalb von 27 Jahren Herrschaft.

Diese Summe wird erst dann in vollem Umfange messbar, wenn man ihr die Einnahmen und die festen Ausgaben gegenüberstellt: Die Einnahmen des Jahres 1769 aus sämtlichen ämtern und Oberämtern von NassauSaarbrücken 278.550 Floren. Davon wurden für die erheblich eingeschränkte Hofhaltung des jungen Fürsten Ludwig und die gesamte Landesverwaltung 151.258 Floren benötigt. 81.776 Floren verschlang der Schuldendienst und nur 45.516 Floren blieben für die Tilgung der Kapitalrückzahlungen übrig.

Für die leichtfertige Art, mit der Wilhelm Heinrich das Geld verplemperte, hier ein Beispiel: Der Judt Hirtz Beer, eine Elsässer, soll mir ein par brilliand Schueschnallen machen lassen, so wie er mir das Muster davon zeigte. Die Brilianden sollen schön sein. Davor soll ihm von der Rentcamer ein Assignation gegeben werden von 6.000 Gulden welche dergestalten bezahlt sollen werden, dass alle Jahr ein Dausend Reichstaler damit solche in Zeit vier Jahre bezahlt sein, nebss fünf procente alle Jahr.

So ein Schreiben des Wilhelm Heinrich vom 6. September 1751. Seine Enkeltochter Louise, die Tochter seines Sohnes Ludwig, des letzten der Dynastie der Saarbrücker Grafen, die ihren Grossvater allerdings nicht persönlich kannte, schreibt im Jahre 1819: "Mein Grossvater war seinem Bilde nach ein sehr schöner Mann, dabei höchst geistvoll aber heftig sinnlich, jedoch ein Vater seiner Untertanen." Sie fügt dann einige Bemerkungen über die grosse Zahl seiner Geliebten an. 

Vielleicht spielt darauf auch Goethe in seinem Buch "Dichtung und Wahrheit" an, wie Alwin Zirkler in seinem Bericht "Goethes Saarbrücker Reise im Juni 1770" beschreibt (in: Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend 8/1958). ähnliches findet sich auch in der "Gottliebchen Chronik zum Jahre 1768". Goethe schreibt in dem erwähnten Buch, das genussreiche Leben des vorigen Fürsten gäbe Stoff genug zur Unterhaltung. Aus der Mätressengeschichte des Fürsten ergab sich der Konflikt mit dem Saarbrücker Pfarrer Beltzer, in dessen Verlauf der Geistliche auf eine andere Pfarrstelle in das Oberamt Harskirchen abgeschoben wurde.

Schmunzelnd liest man auch die von Karl Lohmeyer in seinem Buch über Stengel überlieferte Anekdote vom blauen Kleid, das der Fürst einst von einer Reise nach Paris jeder seiner Geliebten mitgebracht hat. Jede erhielt, ohne Wissen der Nebenbuhlerin das gleiche Kleid, hielt sich für die Bevorzugte, zog, wie nicht anders zu erwarten, am nächsten Sonntag zum Kirchgang haargenau dasselbe Kleid und den selben blauen Reifrock an.

Wie gross muss das Erstaunen gewesen sein, als aus allen Gassen, bei Läuten zum Kirchgang eine ganze Reihe dieser blauen, weitgebauschten Reifröcke auftauchte zur grossen Belustigung der Bürger, sehr zum Verdruss der Trägerinnen.

Der Waldprozess

Wie nicht anders zu erwarten, musste dieser leichtfertige Lebenswandel von den Untertanen missbilligt werden, die mit immer sich steigernden Steuerabgaben konfrontiert wurden. So wurde z. B. das Holz im Walde, das den Köllertaler Bauern zum guten Teil laut Vertrag mit den Vorfahren des Fürsten für den Eigenverbrauch zugestanden worden war, verschachert. Die Bauern klagten beim Reichskammergericht in Wetzlar, wie es zuvor auch schon die Sankt Johanner und die Saarbrücker Bürger für eine jährliche Rechnungsoffenlegung der Rentkammer der Grafschaft taten. Nach diesen vertraglichen Vereinbarungen war der Graf verpflichtet, jedes Jahr den Haushalt offen zu legen. Diese Offenlegung unterblieb jedoch mit der Zeit, denn es war zunehmend schwieriger geworden, den Honoratioren der Stadt Saarbrücken Einblick in die total verfahrene Finanzwirtschaft zu geben.

Dieser Prozess jedoch dauerte dreissig Jahre lang und Wilhelm Heinrich war schon längst verstorben, als sich im Jahre 1792 sein Sohn, der Graf Ludwig endlich zu diesem Vergleich: 

1. Es sollte zu Anfang jeden Jahres der überschlag der General- und Speziallandgelder den Abgeordneten der beiden Saarstädte und des Landes zur Einsicht vorgelegt und von ihnen genehmigt werden.

2. Der Fürst übernahm die von 1768 bis 1792 zur Bestreitung dringender Landausgaben aufgenommenen Kapitalien im Betrag von 47.075 Florin als Schuld auf seine Renteykasse.

3. Da die Untertanen die zuviel bezahlte Summe von 80.000 Florin zurückverlangten, wurde zum Ausgleich der Kartoffelzehnte für immer erlassen. Dagegen verzichteten die Untertanen auf alle weiteren Ansprüche.

4. Für die künftige Erhebung der Landgelder sollte eine feste Vorschrift ausgearbeitet werden. So war der Fürst gezwungen worden, der allgemeinen Forderung des Volkes, dass Gemeinnutz vor Eigennutz zu gehen habe, nachgegeben, und das vordem absolute Regiment näherte sich seinem Ende.

Die beiden letzten Zugeständniss brachten den einzelnen Gemeinden keine Ruhe, denn sie trugen immer neue Beschwerden und Forderungen vor. Um endlich Ruhe zu bekommen, entschloss sich die Regierung am 20. Januar 1793 zu einem Generaldekret. Zur Wiederherstellung der bisher so sehr gekränkten Ruhe und zur Befestigung des zwischen Landesherr und Untertanen dringend notwendigen Vertrauens, verordnete der Fürst unter Hintansetzung seines eigenen Interesses und Aufopferung wohlhergebrachter Renten und Gerechtigkeit:

1. Das Schwarzwild sollte ausserhalb des Wildzaunes ganz vertilgt werden und auch das Rotwild solle so weggeschossen werden, dass die Untertanen keinen Grund mehr zu Klage hätten. 

2. Das Frongeld sollte für einen Handfröner an Orten, wo es bisher 5 Floren betragen hatte, auf 3 Floren herabgesetzt werden. Für ein Pferd sollten 2 Floren und 30 Kreuzer jährlich bezahlt werden. Das Schirmgeld wurde für eine Familie von 6 auf 4 Floren herabgesetzt. Der Losschein vom Kreisdienst, der bisher 2 Taler betrug, wurde ganz erlassen.

3. Einem Untertanen, der ohne Erlaubnis in fremde Kriegsdienste trat, sollte nicht mehr wie bisher das ganze Vermögen, sondern nur mehr ein Drittel konfisziert werden. Ausserdem wurde ihm das Recht eingeräumt, nach diesem Kriegsdienst wieder zurückzukommen, was bis dahin streng verboten war. Ein weiteres Drittel seines Vermögens wurde für einen Stellvertreter zum Soldatendienst verbraucht. War der Zurückgekehrte bei seiner Rückkehr ein armer Mann, musste er zur Strafe 8 Jahre Dienst tun.

4. Von den Jagdbrieftragen wurden die Untertanen befreit und die Jagdfronden selbst wurden auf höchsten 14 Tage beschränkt.

5. Die Landgarden (Landjäger, vermutlich die heutigen Gerichtsvollzieher) sollten ohne Auftrag des Oberamtes keine Pfändungen mehr vornehmen können. 

6. Die Schornsteinfegerei, die Gelzerei (Beschneidung der Schweine, Rinder und Fohlen), der Musikbestand und das Lumpensammeln sollten, sobald der derzeitige Vertrag abgelaufen wäre, nicht weiter an eine Pacht gebunden sein. (Anm.: Alle diese Rechte, sowie auch das Waschmeisterei und der Abdeckerei waren nach französischen Vorbild einem einzigen Mann oder einer Familie übertragen, in Erbpacht gegeben. So hatte z.B. eine einzige Familie das Recht, sämtliche Schornsteine der Grafschaft zu reinigen und mussten dafür als Erbpächter einen jährlichen Betrag an die Landeskassen abführen. Das Schornsteinfegen sollte aber unter polizeilicher Aufsicht bleiben, eine feste Taxe erhoben werden. Die Ausfuhr von Lumpen, z.B. sollte solange verboten bleiben, wie sich noch eine Papiermühle im Lande befand.)

7. Für die Land- und Waisenschreiber, die bei Sterbefällen das Inventar aufzunehmen hatten, sollte eine feste Taxe aufgestellt werden.

8. Der "Grumbirnzehnte" (Kartoffelzehnte) sollte nicht nur in den Städten, dem Völklinger und dem Köllertaler Hof, sondern auch in allen Gemeinden erlassen werden. 

9. Die Leibeigenschaft wurde aufgehoben, so dass die Untertanen weder Freilassungsgelder zahlen, noch Ordonnanzdienst oder das gezwungene Dienstajhr mehr ableisten mussten. 

Das Letztere, das gewungene Dienstjahr, mussten die Söhne und Töchter leibeigener Untertanen ihrer Herrschaft leisten, sobald sie das 16. Lebensjahr erreicht hatten. Alljährlich beim Gesindezug, drei Wochen vor Weihnachten, wurde gelost. Der Lohn betrug für einen Knecht 10 und für eine Magd 6 Floren mit Kost und Logis.

Befreit waren der einzige Sohn oder die einzige Tochter einer Familie. Das Haus, aus dem ein Sohn oder eine Tochter diente, war auf drei Jahre frei. Auch Handwerker, Soldaten und deren Geschwister waren auf drei Jahre befreit, ebenfalls Gebrechliche. Loskauf von dieser Pflicht war für einen Preis von 10 bzw. 6 Floren möglich. 

Neben den oben besprochenen Erleichterungen wurden weitere gewährt, so wurde z.B. das Besthauptrecht abgeschafft. Andere Fronden jedoch blieben weiter bestehen, was natürlich in der Folgezeit andere Hitzköpfe reizte, die damit drohten, sich mit den Franzosen, die ja das Land militärisch besetzt hielten, zu vereinigen. Der Fürst sah sich deshalb gezwungen, seine Privilegien nach und nach preiszugeben.

Zu Beginn der französischen Besetzung fühlte sich der Fürst noch recht sicher in seiner Residenz. Als aber später der eine oder andere seiner Beamten als Geisel abgeführt wurde, sah er sich in einer üblen Lage, der er sich nur durch seine Flucht entziehen konnte. Floh er, das wusste er, hatte er sein Land verspielt, blieb er, so musste er um seine Freiheit bangen. Also entschloss er sich zu einer Badereise ausser Landes, von der er nicht mehr zurückkehrte.

Auf der Flucht vor den Franzosen starb er 1794 im Wald bei Aschaffenburg und wurde in Usingen im Taunus, Hessen-Nassau, beerdigt. Der "Köllertaler Waldprozess", den die rebellischen Bauern in Wetzlar angestrengt hatten, erledigte sich erst mit dem Tode des früheren Landesherren. 

Damit war jedoch der Friede noch längst nicht eingekehrt. Die gleiche Anarchie, wie sie zu dieser Zeit in Frankreich herrschte, hielt auch bei uns noch mehrere Jahre an. Doch wurde dadurch das System des Absolutismus beseitigt, die Leibeigenschaft aufgehoben, der sog. "Zehnte" abgeschafft, der Bauer war endlich der Herr seiner eigenen Scholle. Frongeld brauchte nicht mehr entrichtet zu werden und auch die Jagdfron, die Pflicht des Bürgers, bei Wildjagden der Herren Grafen und ihres Hofstaats unentgeltliche Treiberdienste zu leisten, fiel weg.

Nach der Flucht des Fürsten Ludwig blieben die Franzosen als Herren des Landes zurück , und bald begannen die Plünderungen und Erpressungen durch eine französische Soldateska, die alles stahl, was nicht niet- und nagelfest war, bis diese Landplage selbst den führenden Franzosen, soweit sie hier in der zivilen Verwaltung an der Saar tätig waren, zu viel war und sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten einzuschreiten begannen. 

Wirklich besser wurde es erst, als der Deutsche Kaiser 1797 im Vertrag zu Campo Formio seine geheime Zustimmung zur Abtretung des linken Rheinufers an Frankreich gegeben hatte, und die Pariser Regierung den Elsässer Rudler, der bis dahin am Kassationshof in Paris Richter gewesen war, in dieses Gebiet schickte, um Ordnung herzustellen.

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