jonas,
ich lese es ja auch mit entsetzen, vertraue der taz definitiv mehr als der BLÖD und will hier nicht das gebrannte kind spielen, nur daran erinnern, daß so etwas im grunde komplexer ist als nur die schlagzeile:
da gibt es mitarbeiter.
in diesem tvfilm über die kindesmißhandlungen in den 50/60ern mit senta berger gab's ne stelle, wo eine schwester das mädchen mißhandelt und eine andere schwester neben ihr steht - und nichts tut.
ich dachte, wenn die jetzt HALT! sagen würde, wäre alles vorbei.
du verstehst, was ich sagen will: in einem solchen system gibt oder sollte es immer jemanden geben, der HALT! sagt und heute hat man schnell whistegeblowt.
die strukturen, die so etwas vertuschen, müssen schon ausgeprägt sein, es muss jemanden geben, der sie prägt und den daumen drauf hält.
auf der anderen seite weiss ich halt nur zu gut, wie das ist mit kindern in diesem grenzbereich, über den wir reden. wenn einer mit einer mistgabel auf dich zukommt oder direkt neben dir ein messer in einen metall-kücheblock rammt, wenn du auf einem draufkniest, weil es nicht mehr anders geht (all das ist mir passiert), dann bist du vorsichtiger mit urteilen, zumal wenn du "eigentlich" der freundlichste hippie in der region bist.
da passieren dinge, die man aus vielen perspektiven betrachten muss, papiere, die aussagen von kindern, die eben noch einen anderen zusammengedroschen haben (können) ... gut und schön - ich will hören, was die erzieher sagen.
und wenn da wirklich ein horrorhaus ist, dann wird eine/r reden und dann wird der laden zurecht dicht gemacht. können wir uns darauf einigen?
die massenhaften tweets und blogs, die ich lese, das ist für mich nur der übliche skandal!-reflex, der eine differenzierung erst mal nicht kennt - nur ein urteil.
dafür ist es - für mich - noch zu früh
[PS]
nur um nicht mißverstanden zu werden: mir ist schon klar, von welcher bestialität "erziehung" in deutschland über jahrzehnte weg funktionierte, ich denke sogar, daß man dieses land und die, die es regieren und in ihm hausen, nicht verstehen kann, wenn man den inhalt des buches von frau müller münch nicht kennt.
ich lese jetzt halt viele reaktionen, in denen sofort (wir müssen ja immer SOFORT! ein urteil haben und es rauszwitschern) jeder genau bescheid weiß, daß das eben "das ergebnis der DDR pädagogik" ist, dort in diesem haus unsägliche dinge geschehen, die man nur auf das schärfste verdammen kann und so weiter und so fort.
ich plädiere nur für ein klitzekleines bißchen innehalten, sich die komplexität solcher systeme mal vor augen zu halten, zu bedenken, daß es da vielleicht tatsächlich mitarbeiter gibt, die mit wirklich schwierigen dingen konfrontiert sind und sich nicht alle kinder verhalten wie das eigene.
wir leben eben nicht mehr in den 50er/60ern, heute kann es eher passieren, daß jemand meiner generation in dem amt sitzt, daß so eine einrichtung kontrolliert (ooops. das kann auch mächtig schief gehen) oder unter den erziehern selbst zu finden sind, die eine andere ethik und ein anderes selbstverständnis haben, als nonnen oder patres damals..
wenn die zustände dort wirklich unsäglich sind: macht den laden dicht.
bis dahin, bitte daran denken, daß übereiltes verhalten, vorschnelle urteile etc. nicht nur die arbeitsplätze von leuten vernichtet, die sich vielleicht redlich bemühen, mit einer schwierigen situation zurecht zu kommen, die ... tja, so ist das ... der eine oder andere durch einen mangel an erziehung seines eigenen kindes vielleicht selbst erzeugt hat ... und jetzt laut "hängt ihn!" kreischt.
eine menge "vielleichts", das ist mir schon klar, eine menge "ich weiss es nicht", schon okay und vielleicht irre ich mich. aber ich irre mich lieber, als daß ich den stab breche über menschen, deren arbeit ich nicht kenne.
die, die ich kennengelernt habe, war notwendig und ... ich könnte jetzt einen kleinen brief hier posten, in dem sich ein mädchen, das vorher roundabout 12 polizisten zusammengetrampelt hatte und sich nach ihrem aufenthalt in unserem früheren bauernhof bei uns bedankt, tue ich aber nicht ... manchmal auch erfolgreich.
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