Blog Honig

Sonntag, 23. Juni 2013

troll, proll oder was?

als antwort auf deinen kommentar und weil ich das gerade dort nicht gepostet bekomme, warum auch immer, und auch nur einfach so runtergeschrieben als antwort

lieber erblogger,

zu 1:

eine rose ist eine rose ist eine rose.

zu 2:

das ist das wunderbare an der virtuellen welt - alles bits und bytes. 

ich weiss nicht, ob jemand, der etwas sagt, es auch tut. ich weiss nur, er hat es gesagt.



daß die boheme/bourgeoisie keine hassmails/posts richtung claudia roth schickt, ist mir klar, da käme höchstens eine süffisante bemerkung. etwas zynisches, wenn's denn sein müßte

mir geht es auch weniger um die deiche, das hat differentia eingebracht.

mein thema der woche und wohl auch der nächsten zeit, ist diese geschichte um das "horrorinternat" in der taz, das für mich sehr persönlich ist, weil etwas, womit wir hier erfahrungen gemacht haben. ich bin zur taz gegangen und habe mich einfach mal quergestellt und viel von der wut, die hier einfließt ist eigentlich eher eine reaktion auf die betroffenheitslyrik der kommentare dort.

in dieser sache, das war ja der header der vorherigen post und der zusammenhang, beobachte ich eine art "betroffenheitserregungswellen" und ärgere mich freggd darüber, daß das thema dann am nächsten tag für alle vom tisch und ein dämlicher spruch von der kanzlerin on topic ist.

ich nehme da die perspektive der mitarbeiter ein, die von dieser art stampede einfach niedergetrampelt und am folgetag links liegen gelassen werden.

zu 3.

[..] die ihnen als (digitalen) Bourgeois' üblicherweise nicht begegnet.

auf den punkt. das ist das, was ich mit salon oder wohnstube meine,

dieses kreiseln um die bloggosphäre und das ausblenden der gesellschaftlichen entwicklungen.

die wissenschaftlichen untersuchungen zu diesem thema dürften längst laufen wahrscheinlich gibt es sie längst, sie waren oder werden dann popcorn für einen tag ... oh, kuck mal, was für ein süßes katzenphoto ... nächstes thema ...

[..] entsolidarisierte, antagonistische Konkurrenzgesellschaft

auch auf den punkt.

in diesem zustand leben wir beschleunigend seit mehr als 20 jahren, in einem "neobiedermeier" und wir haben diesen zustand längst verinnerlicht und ihn resigniert akzeptiert.

im moment kommen wir in eine phase, wo um uns herum und von uns nur popcorn futternd in den chaiselongues wohlmeinend kommentiert, in vielen ländern der welt sich der unmut luft macht.

meine these: wir befinden uns im jahr 1966, 1968 kommt erst noch.

am ende dieses jahres werden wir den zustand wahrscheinlich noch für vier jahre verlängert haben. diesen dornröschenschlaf und sein warten auf den prinz, der uns wachküsst. es könnte sein, das ist meine vorstellung, daß er eben kein prince charming sein wird, weil wir die zeichen ignorieren, die uns diese hassefüllte wut in den foren signalisiert.

[..] Was ich in meinem Blog nicht getan habe

lieber erblogger, du weisst, daß ich deinen blog und deine arbeit schätze.

mein "aufhänger", der punkt, an dem ich losgelaufen bin in der absicht, mich endlich abzuregen, war der beitrag in drw, den ich in der nacht bei der arbeit gehört habe. ich habe dann noch mal den beitrag bei dir und differntia nachgelesen, und dann - wie immer old school sansculottisch über- und zugespitzt.

polternd, wie alte säcke wie ich das tun, die in sitzungen nächtelang den einzig wahren weg zum kommunismus in jedes fitzelchen diskutierten, nicht dazu gebaut, den gemütlichen punkt der harmonie zu erzielen, der heute sozusagen die geschäftsordnung ist.

nimm mir das also nicht krummer, als es gemeint ist.

[..] dann müssen wir ermöglichen, dass allen Kindern zugezwinkert wird

au ja! wobei ich das ja eigentlich als eine art bild dafür gebrauche, daß es unser alltägliches kleines verhalten ist, mit dem wir (hoffentlich) die größten ergebnisse erzielen können. in einem tbakgeschäft jemand laut zu widersprechen, der über "die ausländer" schimpft, in einem bus einen anpflaumen, der kinder herumschubst. die ganz ganz ganz kleinen aber praktikablen dinge.

der "große bogen", den ich schlage, ist, das hast du auch in meinen beiträgen bei dir bemerkt, daß ich sage: wir dealen nicht mit kindern sondern mit mittlerweile schwererziehbaren jugendlichen, die sich - affirmiert durch die höhlen a la PI, in denen sie für ein paar jahre hausten - nun mit baseballschlägern aufgemacht haben, die welt um sich herum zu erobern.

noch sind das nur die foren, die blogs. ich befürchte, daß zuerst die sprache und die umgangsformen verrohen und dann die "wirkliche" welt um uns herum, daß das verwilderte rudel eines tages vor unserer tür steht und uns mores lehren will.

ich weiss auch, wie alarmistisch das klingen mag, aber es ist - weil ich mich weniger in den salons und gesitteten wohnstuben als in deren krals herumtreibe - unglücklicherweise etwas, was ich nicht ausblenden kann. deshalb fehlt mir so etwas zentrales wie der "politblogger", der diesen ganzen kram tag für tag zusammengetragen hat.

[..] einem spinnert-idealistischen Bourgeois

ach, du weisst doch, daß ich schon spinnert und idealistisch genug für uns zwei wäre ;-)

bourgeois sind wir alle.

wir leben in diesem neobiedermeier und es ist uns so in fleisch und blut übergegangen, daß wir schon gar keine aussenperspektive mehr haben, die uns das sagt. mich selbst schaudert ja schon der anblick der "nachdenkseiten" ... und naja, im grunde haben die dort "recht" und es schaudert mich nur, weil ich ein jahr im handelsblatt "gebadet" habe. da war der druck der euro hasser so groß, daß ich schon alleine aus verachtung gegenüber dem pack, den euro um jeden preis gerettet sehen wolle - und schwupp, schon sympathisierte ich klammheimlich mit schäuble & merkel.

komm da mal heil heraus ...

wie würden wir uns sehen, wenn wir in griechenland, spanien, portugal oder der türkei auf einem platz stehen würden oder in brasilien? wären wir die "verbündete" oder nur der popcorn futternder burgeois?

ich befürchte letzteres.

"wir" sind vergnügungssüchtig.

all das gleitet im kern an uns vorbei. wir haben jeden tag 20 neue themen und können uns etwas herauspicken, woran wir uns delektieren können. wir sind nicht nachhaltig, wir kleben nicht an einem thema und bringen es zu ende.

wobei du das ja für dich getan hast in sachen "schawahn" in respektabler konsequenz.

jetzt ginge es einerseits darum, die verlorenen 20 jahre, die diese gesellschaft unserem denken hinterherhängt, aufzuholen und andererseits darum, dem pack, das in der selben zeit vierzig jahre zurück marschiert ist, die grenzen aufzuzeigen.

es geht, noch einmal, nicht um "trolle". 

trolle sind okay, mit denen kann ich leben, die sind sogar eine bereicherung. warum sollte ich sie bekämpfen?

es geht um politische kräfte (maskuline muskelspiele), die den humus bereiten für eine in sich zerstrittene, hasserfüllte gesellschaft (quarantäne aufgehoben) und auseinandertreibenden individuen, die gebündelt, dieses verdammte land auf den kopf stellen könnten.

genau da versagen wir.

liebe grüße

[PS] mehrwert

hier schnell noch der zweite teil der reihe "ökononomie des glücklichen Lebens"

Vom ethischen Umbau der Wirtschaft
Zur Amoralität des Finanzsystems

Die Direktorin des Policy Research in Macroeconomics (PRIME) 
Ann Pettifor im Gespräch mit Stefan Fuchs
Die aktuelle Dauerkrise der Wirtschaftswissenschaften wirft zugleich die Frage ihrer ethischen Grundlagen auf. Eine wachsende Zahl der Ökonomen fordert so etwas wie einen Hippokratischen Eid für ihre Disziplin. Wie die Medizin dem Wohl des Patienten, müssten die Wirtschaftswissenschaften dem Lebensglück der Mehrheit und nicht den Interessen einiger weniger verpflichtet sein.

Die Kritiker des ökonomischen Mainstreams erinnern an den Gründungsvater der Volkswirtschaftslehre Adam Smith, der zugleich Moralphilosophie lehrte und eine geschichtliche Tradition begründete, die von Max Weber bis John Maynard Keynes immer schon die Einbettung des Kapitalismus in ein regulatorisches Wertesystem forderte. In seiner Gesprächsserie mit Yanis Varoufakis, Ann Pettifor und David Graeber versucht Stefan Fuchs, die Grundlagen einer nach wie vor aktuellen und dringend erforderlichen Wirtschaftsethik herauszuarbeiten, die sich von der Verschleierung einer angeblich objektiven Logik des Marktes absetzt.

Wirtschaftsethik richtig verstanden ist danach kein moralisches Feigenblatt, sondern zielt auf den Kern des wissenschaftlichen Selbstverständnisses der Ökonomie. Ebenso ist Wirtschaftsethik Teil einer transdisziplinären Rückführung der Volkswirtschaft in die Sozialwissenschaften. Auch die objektiven Interessenkonflikte, die in den Wirtschaftswissenschaften durch ihre Rolle in der Politikberatung entstehen, müssten im Rahmen einer ethischen Rückbesinnung der Disziplin offengelegt werden.
teil eins findet sich hier ...

wem das zuhören schwer fällt, hier sind noch mal die textversionen von teil 1 und teil 2

[PPS]

und, jetzt mal popcorn für alle von mir: der alternative AFD newsletter ist entweder ein hervorragend gemachter fake oder cointelpro oder ... naja, habe ich es nicht schon immer gesagt????

ich könnt' mich jedenfalls beömmeln und nehme ihn mal gerade in meine liste interessanter seiten auf, besser als AFD-Watch, dem ging die puste ja schon aus, bevor's richtig lustig wird.

2 Kommentare:

  1. Ja, Troll, Proll, was denn nun? Wir haben nichtmal die richtigen Begriffe für die Leute, über die wir reden (ich benutzte zuletzt häufig "Leute").

    Der Politblogger fehlt Dir so, nicht weil er das zusammentrug, sondern weil er die verstörenden Eindrücke verarbeiten half - interpretiere ich mal.

    Ich finde Deine Ansätze gut, wenn sie auch noch dabei sind Symptome bekämpfen. Ich warne aber davor, zu glauben, dass Du die Welt retten kannst, dafür gar verantwortlich bist. Wenn man sich als Silberrücken fühlt, ordentlich Testosteron und Adrenalin durch die geweiteten Gefäße ins Hirn strömen können, dann kann man diesem Eindruck schon mal erliegen. An überdehntem Verantworungsgefühl muss man aber scheitern. Also: Pass auf Dich auf!

    (Ich empfinde Deine Widersprüche übrigens nicht als attackierend, falls der Eindruck entstanden sein sollte.)

    Freundliche Grüße!

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  2. "leute"

    das ist das problem, es sind wirklich "leute" und sie stehen neben uns beim einkaufen ;-)

    war aber nur so 'ne sekundeneingabe, als ich 'ne überschrift brauchte ...

    [..] sondern weil er die verstörenden Eindrücke verarbeiten half

    messerscharf beobachtet, wenn ich so drüber nachdenke.

    der kerl hat wirklich einen drecksjob gemacht, ich verstehe, daß er hingeworfen hat, dazu braucht man einen langen atem und ein dickes fell. ich dachte immer, ich hätte eines, aber das jahr im handelsblatt (2011/12), das hat wirklich an mir gekratzt, weil ich dort ja die contenance bis ultimo gewahrt habe und nie laut oder wütend geworden bin.

    [..] Ansätze

    ehrlich, ich hab' keine, wenn du von lösungen sprichst. nur beobachtungen, irritationen, ängste un daraus resultierend manchmal so was wie wut.

    [..] dass Du die Welt retten kannst,

    alles bloß das nicht. ich sehe das eher so, daß ich bestimmte dinge kann, schlagfertig genug bin, mich zur not herumzuprügeln und betrachte das als so ne art von talent, das ich eben einsetzen sollte.

    nicht um die welt zu retten, mir reicht es ja schon, "denen", diesen "leuten" zu sagen, daß sie nicht alleine auf dem planeten sind.oder ihnen ein kuckucksei untrzuschieben je nach laune

    [..] Silberrücken

    auch das nicht.

    ich hab' von mir eher diese "the fool on the hill" wahrnehmung oder "the 40 years old hippie", der seinen enkeln von seinem schlimmsten lsd trip als dantesches inferno berichtet ... um zu enden, daß er jetzt jeden tag einen nimmt, um noch mal so "gut" drauf zu kommen.

    man darf bei mir das poltern nicht mit der selbstwahrnehmung/überschätzung verwechseln. selbstbewusstsein, sicherheit auch dann "richtig" zu liegen, wenn ich was sage, was alle um mich herum für bekloppt halten, okay, das ja, das ist ein erfahrungswert.

    aber hey, ich habe eine katze und streichele die den ganzen tag. keinen hund, den ich erziehe ;-)

    [..] Pass auf Dich auf!

    auch hier: das machen meine frau und meine töchter. die sorgen schon dafür, daß ich den ball flach genug halte und geerdet bin. es ist das eine, mit menschen zu leben und ein bißchen dazu beizutragen, daß im haus gelacht wird, und das andere zu posten. beim posten ditsche ich eh wie ein gummiball durch den raum, ich bin nicht verbissen oder fokussiert.

    letzte woche haben wir uns hier halt wirklich über diesen taz artikel und die kommentare aufgeregt, das war dann wirklich ausnahmsweise mal was persönliches - anderes ist eher abstrakt.

    [..] attackierend

    nein, ich hatte nicht den eindruck, daß du darauf empfindlicher als nötig reagieren würdest, sonst hätte ich den ball flacher gehalten, zumal ja im grunde alles gesagt war. ich komme aus ner zeit und umgebung, wo man sich am tisch schon mal den kopf wegpusten konnte mit diskussionen, ob etwa bei P.A.V. leute jenseits der 30 noch in den vorstand kommen können ... und hinterher auf der couch saß, einen zusammen rauchte und die dead hörte ;-)

    liebe grüße

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