Blog Honig

Dienstag, 25. Juni 2013

o tempora o mores

ätsch, reingefallen, das hier befasst sich nicht mit den datenschnorchlern, die geh'n mir im grunde sonstwo vorbei - auch wenn ich natürlich die allgemein vorherrschende meinung teile, daß das ja schon mal gar nicht geht und zwar im doppelten sinne: also einerseits die saugerei itself und die aufforderung, dann einfach lieber nichts zu sagen, damit man nicht belauscht und in die fänge der erzbösen gerät: gradseläätz, wie der saarländer sagt (leider ein unübersetzbares wort, "jetzt erst recht" trifft nicht den rotzfrechen kern)

nein, hier geht es um eine frage, die ben aufgeworfen hat


"wie wir wohl in den Augen jener Generationen dastehen"


um es in kürze zusammenzufassen: ben hat sich versucht vorzustellen, wie wohl der mensch des 19. jahrhunderts uns heutige betrachten würde, ob wir für sie "g*ttlose" wichte wären:
"Wären Goethe und Liszt und die beiden Humboldts ein Jahr vor ihrem Tod eingefroren worden und könnten morgen wieder erweckt werden: Was wäre wohl ihr Urteil über uns? Würden sie schätzen und respektieren, was wir alles ohne ihren Gott erreicht haben?"
und bevor ich ihm jetzt seinen blog weiter zutexte, immer mit den unmöglichkeiten, den einen oder anderen fehlenden buchtaben nachträglich noch einsetzen (habe ich erzählt, daß jetzt auch in der rechten hand die beiden finger rechts taub sind, währnd die linke sich nur noch bei kälte seltsam anfühlt?, egal ...) und das eine oder andere gescheiterte satzkonstrukt leichterhand korrigieren zu können, texte ich mich halt selbst zu zum frühstück ;-)

ich antworte - von der seite kommend - mit arthur c clarke
„Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden.“
die frage, wie sich jemand aus dem mittelalter, der frühen neuzeit, ja selbst aus dem anfang des letzten jahrhundert kommend sich wohl in unserer welt fühlen würde wurde interessanterweise ja im laufe der letzten woche von "mmaw" hier aufgeworfen, als wir einen kurzen blick auf eine der letzten folge von "mankind" warfen, in der es um die bekämpfung der cholera und den technischen fortschritt der letzten 150 jahre ging.

bitte, unbedingt gucken!


an diesem freitag abend 20:15 h auf ZDF Info kommen die ersten 6 nächste woche freitag die letzten 6 folgen ... ich finde, daß die serie nicht nur extrem schön gemacht und mit überraschend vielen dingen vollgestopft ist, die mir (und ich bin, was geschichte angeht, ziemlich eingebildet) zum teil neu waren, sondern daß sie - vor allem - einen zusammenhang und eine optimistische perspektive auf uns als spezies wirft.

aber ich schweife schon wieder ab

hier darf ich das, woanders gehe ich den leuten damit vielleicht auf den wecker.

wie würden sich also goethe, liszt oder die humbolds fühlen, wenn sie, frisch aufgetaut, in - sagen wir einmal - dem berlin der jetztzeit wachwerden sollte?

na gut, seien wir gnädig und lassen sie im frisch aufgepeppten dresden wach werden, sie müssen sich ja nicht gleich den schock für's leben holen ...

ich denke, sie würden wahnsinnig. 

na gut, die humbolds nicht. 

aber goethe definitiv.

der schock wäre groß. sie würden sich nicht um 200 sondern um tausend jahre in die zukunft versetzt fühlen, hätten große schwierigkeiten, mit dem ganzen techno-kram zurecht zu kommen und noch größere mit den gesellschaftlichen veränderungen, die sich in der zwischenzeit vollzogen haben.

wir drücken ihnen also einen iPad in die hand, erklären ihnen, wie das mit dem wischen funktioniert und lassen sie für ein paar wochen abgeschottet in einer kammer alleine die jetztzeit erkunden. das dürfte ja machbar sein und nach ein paar tagen fremdeln, der frage, ob sie sich nicht besser erschiessen sollten, statt sich diesem wahnsinn auszusetzen, der einsetzenden langsamen erkenntnis, daß es vielleicht doch ganz nett sein könnte mal da raus zu gehen und mit den menschen direkt zu sprechen, wären sie dann bereit für ihren ersten besuch bei mcDonalds ...

liszt hätte sich wahrscheinlich durch youTube geblättert

hätte sich durch den ganzen rap und speedmetal kram in seiner absicht, sich die kugel zu geben bestätigt gesehen, irgendwann über debussy, tschaikowsky, stravinsky, mussorgsky hin zu gorecki, ligeti, varese gefunden und würde den rest seiner tage in dieser kammer damit zubringen, zappa und moondog zu lauschen. ich denke, er würde seinen frieden machen mit der jetzt zeit, er wäre beschäftigt, die geschichte der musik zu erkunden.

die humbolds hätte ihren spaß, es gäbe für sie so viel zu erforschen, daß sie sich nicht lange einen kopp machen würden über fragen der moral oder des glaubens. sie würden da raus gehen, sich alles angucken und jubeln, daß das alles so schnell ging, der weg dahin, die verheerung des kontinents durch all die kriege, das wäre ihnen wahrscheinlich ziemlich egal, dafür hätte sie keine zeit.

goethe wiederum wäre ziemlich angepisst

da hat er sich gequält, der gute, mit seinen ganzen sexuellen verklemmungen, die er erst in italien so halbwegs abgelegt hat ("Knaben liebt ich wohl auch, doch lieber sind mir die Mädchen, hatte als Mädchen sie satt, dient' als Knabe sie mir noch" WA 1.5.2.:381), plötzlich in eine welt geworfen, in der linda lovelace demonstriert, wie tief diese sache gehen kann.

oder seinen ganzen verzweifelten fragen danach, was "gut" und "richtig" ist.

er wäre wirklich wirklich wirklich angepisst. die zweifel, ob er - obwohl doch ein frei denkender mensch in seinen tagen - so weit von dem weg war, was denk- und glaubbar sein soll, das würde ihn um die pistole geradezu betteln lassen.

genug geulkt

weil, es geht ben ja im grunde um die frage wie das mit g*tt ist.

würden sie uns "beurteilen" und "verwerfen"?

nun, im geschichtsstudium lernt man als erstes: beurteile die menschen der vergangenheit niemals mit den augen der jetztzeit, gleite in ihren kopf, sieh die welt, wie sie sie sahen. das gilt auch für den tiefgefrorenen menschen des 19. jahrhunderts in der jetztzeit: nach einer phase des fremdelns und der gewöhnung, würden sie eben kein urteil mehr fällen, kein moralisches.

sie würden, kluge köpfe, die sie sind, verstehen, daß sie zu ihrer zeit schon genug fragen an das strenge korsett hatten, in das sie sich gezwungen fühlten und das sie nur zu gerne abgelegt hätten, daß sie das 21. jahrhundert begrüßen würden als die konsequenz ihres eigenen tuns und denkens, befreit von der knechtschaft durch die religiösen instanzen, frei endlich sagen zu dürfen, was sie denken.

sie würden einen blog anlegen

und posten.

sie würden erzählen, wie es war, in jenen tagen, was schlechter war und was sich zum guten gewandelt hat. sie würden sich zu mir auf die couch setzen, mit mir "mankind" gucken und sagen: ja, verdammt, schön das mal im zusammenhang zu verstehen. und dann würde ich goethe zwingen, mit mir 7 staffeln buffy zu gucken und ihn fragen, ob er damit leben kann, daß menschen heute ihr "coming of age" heute so verarbeiten.

mit liszt würde ich "moondog" hören.

und die humboldts, verdammt, wo sind die zwei?

die sind ausgebüchst, reisen per anhalter um den planeten und kriegen sich nicht mehr ein vor glück, was es alles gibt. vergiss die humboldts, die haben zu tun, keine zeit für läppisches herumknuseln an fragen, was bloß aus g*tt geworden ist.

goethe hätte wahrscheinlich längst den zen-buddhismus für sich entdeckt, peyotl ausprobiert, würde sich dann morgen früh um 9:15 h mit mir "the substance" (sorry folks, nur die kurze version) in ZDFInfo reinziehen, immer noch kichernd, würde sich noch mal "cosmic trigger" aus meinem regal ziehen und ich würde ihn alle 5 minuten laut lachen hören aus seinem zimmer

naja, so stelle ich mir das vor

sie könnten verstehen, daß man dumm ist und es gut ist, wenn man das den rest seiner tage auch bleibt, weil man nur so dazu lernt und neues verstehen kann.

sie könnten sich natürlich auch als komplette arschlöcher entpuppen, die panisch auf dem beharren, wie sie die welt vor 200 jahren verstanden haben, rechthaberisch durch die gänge ihrer behausung laufen, die jetztzeit und ihre g*ttlosigkeit, ihren mangel an moral und guten sitten beklagend, sich den rest ihrer tage vermiesen.

das wären sie dann selbst schuld.

könnte mal einer ne pistole da rein werfen?

ich hoffe, ben, das beantwortet deine frage einigermaßen.

okay, der kaffee ist alle, ab in den tag ...

[nachtrag]

die hackfleischspaghetti soße köchelt und beim nochmaligen lesen deines kommentars, ist mir noch etwas aufgefallen, worauf ich auch noch eingehe, bis die horden über das essen herfallen ;-)
übers Ganze gesehen sind wir zweckrationale Egoisten. Erstmal völlig wertfrei gesehen. Die ganze Moderne wäre nicht passiert, wenn es nicht so wäre.
siehst du, das sehe ich eben nicht so. obwohl ich als programmierer alles "wertfrei" sehen kann. und schon gar nicht für die zukunft

ich denke, daß wir jetzt in eine phase der kooperation eintreten werden. bis jetzt konnte man uns ja vorgauckeln, wir wären eben einsame wölfe (also in dem zustand, den man uns als "vertreibung aus dem paradies" verkauft hat), die den anderen zur not fressen, um selbst satt zu werden. jeder für sich selbst.

meine vorstellung, meine hoffnung läuft dahin, daß wir in zukunft teilen werden. unsere erfahrungen, unser wissen, unsere liebe (weia, heikles wort, aber für einen hippie eben die basis von allem). wir sind, siehe wikipedia und alles, was vor f#ckbook in dieses internet geschrieben wurde, freigiebig geworden, wir verschenken, statt ne rechnung zu stellen, der wert dessen, was wir tun, mißt sich nicht in der rechnung, die wir schreiben.

er misst sich im nutzen für den anderen. halt dieser hippiekram, der das internet bislang regierte: freeware, open source, online kompendien. wir tragen bei, freiwillig, unbezahlt, voller leidenschaft.

was noch nicht funktioniert ist das verständnis dafür, wie wir auch dafür sorgen, daß wir uns gegenseitig ernähren. noch herrscht ja diese abrahimitische straflogik vor: hartz 4 empfänger sind schmarotzer, die muss man quälen, damit sie sich so richtig scheisse fühlen und um arbeit betteln.

nur, oops, wir bekommen jetzt den 3D-drucker und es scheint sich ja niemand gedanken darüber zu machen, was das heisst, daß gerade von einem holländer in irland ein haus "gedruckt" wird ... alle damit zusammenhängenden tätigkeiten und damit alle menschen, die diese arbeiten ausführten, fallen weg.

a trillion hartz 4 ler ahead

wir stehen vor radikalsten umwandlungen unserer welt. da wird es millionen von leuten geben, die keine arbeit mehr finden, das werden maschinen tun, 3D-drucker werden dinge herstellen und it's the software, stupid, wir werden ein gesellschaftliches problem kriegen, für das das bedingungslose grundeinkommen der einzige ansatz sein wird. es wird nicht anders gehen.

noch herrscht dieses "ich ich ich" vor, dieser neid, wenn der andere was hat, was wir nicht haben, dieses wegdrängeln, dieser egoismus, der den anderen ausblendet um alles für sich zu bekommen.

das wird sich radikal ändern.

wir werden den hippie-weg beschreiten ... oder untergehen.

[PS] g*tt

sieht ein bißchen seltsam aus, ich weiss, steht aber für den asterix, den programmierer oder benutzer jenes seltsamen betriebssystems MS-DOS verwenden, um ein "alles" in ihren DIR *.* befehl einzuflechten.

jeder hat ja "seinen" g*tt und das ist auch okay so. wer das braucht, um sich sicher und behütet zu fühlen in diesem verwirrenden universum: sei's drum. kann, muss man aber nicht haben.

ich persönlich tendiere dazu, mich von der letztlich immer wieder hergestellten harmonie, dem, was um uns ist und in uns, beschützt zu fühlen: ist schon okay so, jeder zustand der disharmonie findet seinen ausgleich, weil "mutter erde", das universum, was weiss ich schon besser weiss, was für uns gut ist und schon, auch wenn uns als einzelnem das mal weh tut, wieder einen ausgleich herstellt.

ich brauch keinen alten da oben, mit bart und strenger miene, dem ich mich unterwerfen muss. der jüdisch/christlich/muslimische wäre ja schon gar nichts für mich, ein rachsüchtiger drecksack, wenn du mich fragst, so kleinkariert wie die, die ihn erfunden haben, um alle anderen zu knechten.

wobei ich natürlich den wert von so etwas wie religion zur zähmung der wild tobenden masse mensch durchaus zu schätzen weiss, das christentum auch seine guten seiten hat, so wie alle abrahamitischen religionen, aber ... sorry, to say ... mir geht dieses schuld & sühne ding komplett sonstwo vorbei, ich bin (zen) buddhist, für mich gibt es ursache & wirkung, das rad, auf das ich geflochten bin und das mich so lange zwingt, hier wieder aufzutauchen, bis ich endlich wirklich kapiert habe, wozu das spiel gut ist.

[PPS]

doch noch was zu snowden.

erbärmlich wie jetzt gegen ihn gehetzt wird, die propagandamaschine, das, was er getan hat, möglichst in ein schlechtes licht und ihn als publicity-geilen idioten, der mit jedem unrechtsregime ins bett geht, darzustellen, läuft und ... sie ist einfach unterirdisch ...

[PPPS]  nachhaltig

heute dann die webschau im drw.. sehr schön ....

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