Donnerstag, 27. Februar 2014

aus den archiven: thule 01

ah, fastnacht, also zeit, mal wieder was verrücktes aus den archiven zu posten ... 

nach drei jahren "quixiot" stelle ich fest, ich habe ja noch gar nicht mein "lieblingsbaby" hier veröffentlicht. 

klar, es liegt seit jahr und tag auf archive.org, aber ... wie gesagt: fastnacht, die perfekte zeit um mit einem fast 30 jahre alten text eine geschichte zu erzählen, die meiner meinung nach sowieso von morgens bis abends erzählt werden sollte ... 

wenn wir schon über tabus und verschwörungen reden  ;-)


[vorangestellter nachtrag] ich sehe gerade, daß es 30 jahre später eine doku gibt, die all die im folgenden angsprochenen dinge adäquat abarbeitet und ich stelle der post jetzt einfach mal das wirklich sehenswerte video voran, dann kannst du immer noch entscheiden, ob du meine hausarbeit aus den 80ern liest. ich bin an diesem punkt offensichtlich meiner zeit einiges voraus gewesen ...





ja, der nationalsozialismus war keine politische bewegung. 

er war eine okkulte religion.


nein, das ist jetzt keine verschwörungstheorie, obwohl verschwörungen eine große rolle in dem, was ich da vor ca 25 jahren meinem geschichtsprof als hausarbeit für neuere geschichte ablieferte, spielen ...  im grunde geht es sogar um ein beispiel für eine "gelungene" verschwörung, die aber für ihre erfinder nicht so endete, wie gedacht. oder, wenn man miguel serrano folgt, doch ... irgendwie ... naja, halbwegs, wenn man so was wie denesoterischen hitlerismus predigt.

ja ich weiss, das ist harter stoff, aber ... naja, man sollte schon wissen, was in den köpfen dieser neogermanen abgeht, um zu verstehen, daß die sich - auf ihrem planeten in einer ganz fernen galaxie - für die "guten" halten. 

zur hausarbeit gehört natürlich eine kleine anekdote, die im wesentlichen so aussieht, daß ich mich da schon ein paar jahre für verschwörungstheorieen interessierte, angetörnt natürlich vom guten robert anton wilson, und gerne obskures zeugs aus krabbelkisten - mehr war damals nicht drin, der autor dieser zeilen war gerade papa geworden - fischte. ua. das buch "hitler & the age of horus" von  Gerald Suster (Glasgow 1981), in dem ein paar sachen drin standen, die ich umgehend an der uni nachgucken wollte. also vor allem diese thule geschichte, die ermordung der geiseln im luitpold-gymnasium 1919, wo angeblich thule leute durch illuminaten erschossen wurden. daß es parallel einen artikel in der "titanic" gab, in dem ausgebreitet wurde, daß der mann, der aus einem metzgersohn später mal den franz josef strauß machen sollte ... hey, wer könnte diese kombination ignorieren???

ich jedenfalls nicht ;-)

also habe ich den teil des vorstudiums, in dem ich neuzeit bei einem äußerst unterhaltsamen prof in trier belegte, genutzt, um der sache nachzugehen. ergebnis ist die hausarbeit von 1987/8, die ich in den nächsten tagen in zwei, drei häppchen posten werde. 

zu der zeit behaupteten "nur ein paar spinner" das offensichtliche: adolf hitler ist das produkt von geheimbündlern, das ist - wie nicht nur rudolf freiherr von sebottendorff behaupten wird - nun mal nicht zu leugnen. das stand zu dem zeitpunkt auch in der sekundärliteratur. einfach mal maser's "sturm auf die republik" lesen, er erzählt das zb. ziemlich ausführlich. es war bekannt

es wollte bloß keiner hingucken oder drüber reden. tabu.

verschwörungstheorie. na klar. igitt.

zu blöd: es war aber nun mal so und da hilft kein weggucken. die ganzen jungs, die später mal diese klitsche namens nsdap am laufen hatten, waren komplett gaga. okay, ich mag mich irren, und sie hatten heftige ausserkörperliche erfahrungen und haben mit irgendwelchen meistern in tibet kommuniziert, aber, naja, sorry, menschen auf trip erleben lustige sachen und ich will nicht wissen, was die sich eingepfiffen haben ...

wie auch immer: mein prof. war angetan, ich war damit zufriedener als mit meiner hausarbeit über das teffen der freimaurer, bei dem die illuminaten den putsch wagten (hey, wofür studiert man wenn nicht um sich zu amüsieren??). aber ... 

es kommt ja immer ein aaaaber ... 

das studium stand damals in konkurrenz zu einem ti 99/4a homecomputer und der tatsache, daß töchter gefüttert werden müssen ... also wurde aus dem verfasser verschwörungstechnischer hausarbeiten ein daten-verarbeitungskaufmann mit industrie-und-handelskammerabschluss ... 

die hauptquelle der arbeit ist das buch von rudolf freiherr von sebottendorf "Bevor Hitler kam", das noch in ein paar exemplaren in der fernleihe existierte ... heute steht in meinem buchregal ein nachdruck. 

womit die leute nicht alles geld verdienen, aber danke, besser als die photokopieen aus den 80ern. und so kommt man auch an den nachdruck des kompletten schriftverkehrs des illuminatenordens, as far as known ;-)

die hausarbeit ist im grunde eine zusammenfassung des buches, das man aber durchaus lesen kann, wenn man sich nicht ziert, auch mal im morast zu waten, muss ja alles gewusst werden so was ...

ach ja, ein paar jahre später kam dan peter orzechowskis soiree "Nationalsozialismus - politische Bewegung oder okkulte Religion" in der swr2 soiree, später dann manfred rexin's "Hitler's Weltbild - Rassenwahn und Weltmachtträume" ... noch ein bißchen später dann die tolle reihe "Germanen, Götter, Wurzelrassen" von rolf canzem in swr2 wissen, von dem sich auch - wie die anderen erwähnten features - noch "verschwörungstheorieen" im archiv befindet ... und ich dachte: 

"hey, das sag ich doch schon immer" ;-)

von manfred rexin existiert übrigens eine geradezu gewaltige sammlung von ö-tönen, "regime unterm hakenkreuz", 25 cds, die ich jedem ans herz legen kann, der sich ein lebendiges bild machen will von dem, was passiert ist. kapitel 03 "Machteroberung - Deutschland 1933" ist in seiner dramatik einfach niederschmetternd, aber ... auch das alles sollte gewusst sein. es müssen ja nicht immer verschwörungsgeschichten sein, so wahr sie auch sein mögen, manchmal ist es auch einfach die geschichte von kellern, in die menschen gezerrt und zu tode geprügelt werden ...

in diesem sinne: eine wahre verschwörungsgeschichte ...


"Bevor Hitler kam"


Rudolf von Sebottendorff
und die Münchner Geheimgesellschaft
'Thule' zwischen 1919 und 1920


Einleitung

Die "geistigen Väter" der Thule

Entstehung und Entwicklung der Thule bis 1918

Die Thule während der Münchner Räterepublik


"Nichts gibt so sehr das Gefühl von Unendlichkeit,als wie die Dummheit"

Ödön von Horvath, "Geschichten aus dem Wienerwald"


An der Leidenschaft, mit der die Kontroverse um die Voraussetzungen der nationalsozialistischen Herrschaft geführt wird, einer Periode, die so "weitgehend ... wie kaum eine andere Epoche der Geschichte" von vierzig Jahren Forschung erhellt zu sein scheint, hat sich bis heute nur wenig geändert: Die "Antwort ... (ist) so umstritten wie je zuvor."

Die Ursachen hierfür werden verständlich, versucht man mit den rationalen Rastern, in denen wir heute zu denken gewohnt sind, der "für den Nationalsozialismus wichtigste(n) Komponente ... (dem) Antisemitismus" zu nähern. Wie sich rational einem Thema zuwenden, das so irrational erscheinen muß, wie die gezielte und planmäßig durchgeführte Vernichtung von Millionen unschuldiger Menschen, deren einziges gemeinsames Merkmal, deren "Schuld" darin bestand, daß sie Angehörige einer Rasse waren, in der die Herrschaftsideologie das "Reich des Bösen" ausgemacht zu haben glaubte? 

Der Antisemitismus ist noch heute Objekt einer Vielzahl von Untersuchungen, da eine Antwort, wie sich dieser "Aberglaube" in der deutschen Geschichte mit solch verheerenden Konsequenzen breitmachen konnte, nicht eindimensional und pauschal ausfallen kann, obwohl sich solche Lösungen geradezu anbieten.

Der "deutsche" Antisemitismus wird gerne als ein rational zu erklärendes Phänomen dargestellt, dessen geistige Ahnen die Forschung mit einer langen Reihe von Namen, angefangen bei Charles Darwin, über Gobineau, Wagner, Nietzche, Houston StewartChamberlain bis hin zu Treitschke benennt. Wenig diskutiert bleibt der Hinweis, "daß alle diese Männer Konsequenzen, wie Hitler sie zog, von Anfang an weit von sich gewiesen hatten, ja, daß Gobinau jeden Versuch einer 'Aufnordung' oder eines Kampfes gegen eine andere Rasse als lächerlich abtat" . Noch seltener ist die Feststellung getroffen worden, daß die "deutsche Historik sich bis 1933 niemals das Rassendenken zu eigen gemacht hat" und Vertreter dieser Richtung nicht nur von der Geschichtswissenschaft, sondern auch vom übrigen deutschen Geistesleben nicht ernst genommen wurden, und "Extremisten", wie Professor Max Dessoir 1917 es formulierte, es "verdienten, ... in's Narrenschiff aufgenommen zu werden."Thema dieser Arbeit ist ein Aspekt des "völkischen" Antisemitismus, der stellvertretend für die vielen anderen Quellen, aus denen die "Bewegung" Hitlers wachsen sollte, das Irrationale und den Fanatismus veranschaulichen kann, der schließlich nach Auschwitz führen sollte: 

Die Münchner Geheimgesellschaft "Thule", ihre Quellen, Entwicklung und Verbindungen zur Gründung der NSDAP und Hitler, von dem Rudolf Freiherr von Sebottendorff 1933 in seinem kurz nach der nationalsozialistischen Herrschaftsübernahme erschienenem Buch "Bevor Hitler kam" , und das dieser Arbeit als zentrale Quellezugrunde liegt, behauptete:
"Thule Leute waren es, zu denen Hitler kam, und Thule Leute waren es, die sich mit Hitler zuerst verbanden. Die Rüstung des kommenden Führers bestand aus der Thule selber, aus dem in der Thule Gesellschaft von dem Bruder Karl Harrer gegründeten "Deutschen Arbeiterverein" und der von Hans Georg Grassinger geleiteten "Deutsch-Sozialistischen Partei", deren Organ, der "Münchner" später "Völkische Beobachter" war. Aus diesen drei Quellen schuf Hitler die NSDAP."

Die 2. Auflage des Buches wurde durch ein Schreiben der bayrischen Politischen Polizei vom 01/03/34 an den Herausgeber, H.G. Grassinger, auf den Index gesetzt und beschlagnahmt . Die Begründung: Der Name Hitlers werde zu kommerziellen Zwecken mißbraucht und der führender nationalsozialistischer Führer herabgewürdigt. Die Tendez des Buches ziele darauf ab, entgegen der Tatsachen den alleinigen Verdienst an der nationalen Erneuerung der Thule zuzuschreiben. Das Interesse, das das Buch gefunden haben mag, ist verständlich, lag doch die Frühzeit der "Bewegung", von deren Ideologen zur "Kampfzeit" heroisch hochstilisiert, im Dunkel, und auch Hitler hatte in "Mein Kampf" versucht, den Eindruck zu erzeugen, er alleine sei der Schöpfer seiner "Weltanschauung".  

Der Autor des Buches, Rudolf von Sebottendorff, "eine dunkle, abenteuerliche und stark okkult veranlagte Persönlichkeit" wurde als Sohn eines schlesischen Lokomotivführers 1875 als Erwin Torre geboren. Er hatte Deutschland schon vor Beginn des 1. Weltkrieges den Rücken gekehrt und die türkische Staatsangehörigkeit angenommen. In der Türkei wurde er von einem Baron von Sebottendorff adoptiert, war als Leiter des türkischen Halbmondes maßgeblich im Balkankrieg 1912/13 engagiert und avancierte unter der Leitung eines jüdischen Kaufmannes namens Termudi zum Meister des Rosenkranz-Ordens. Erkehrte 1917, augestattet mit großen Geldmittel aus der Erbschaft seines Adoptivvaters als mexikanischer Ehrenkonsul nach München zurück, wo er sich aktiv am Aufbau der 'völkischen' Bewegung beteiligte, wie in dieser Arbeit dargestellt werden wird.  

Nach dem Fall der Räterepublik in München zog er sich nach Bad Sachsa im Harz zurück, von wo aus er schließlich wieder in die Türkei aufbrach. Reisen nach Mexiko und durch die USA in der Folge werden vermutet. Er sollte erst 1933 mit dem Erscheinen seines Buches inDeutschland wieder in Erscheinung treten, wurde aber in Haft gesetzt und verschwand daraufhin. H.G. Grassinger vermutet, er sei von den Nazis beiseite geschaft worden (17).

Die "geistigen Väter" der Thule Sebottendorff ist in der Preisgabe seiner Quellen freigiebiger als Hitler. Neben Theodor Fritsch, auf den erst später eingegangen werden soll, benennt er vor allem drei Österreicher als Kämpfer "an der Front gegen das Judentum": Guido von List, Lanz von Liebenfels und Baron Wittgenstein. 

Guido von List, dessen "Bücher über ariogermanisches Weistum, auch wenn sie in ihrer Mystik etwas zu weit gehen", Sebottendorff doch als eine "noch heute wertvolle Quelle" hervorhebt, die "nicht vergessen werden" sollte, war im Wien der Jahre 1909/10 eine stadtbekannte Persönlichkeit. Die noch vorliegende Mitgliederliste der von ihm gegründeten "Guido-von-List-Gesellschaft" verzeichnet "erstaunlich wohlhabende Leute ... in Vorstand und Ehrenvorstand" und weisen "Großkaufleute in Wien und Hamburg ... (als) Stifter"  aus, die es List durch Ihre Zuwendungen ermöglichten, neben seinem Lebenswandel auch die von Jahr zu Jahr ansteigende Anzahl seiner Bücher zu finanzieren.

Mitglieder dieser Gesellschaft waren neben Lanz von Liebenfels auch der Theosoph Franz Hartmann und der Wiener Bürgermeister Dr. Karl Lueger, den Hitler ausdrücklich als Vorbild anerkannte . List hatte schon mit 14 Jahren der Kirche den Rücken gekehrt und geschworen, einen Tempel Wotans zu errichten. Seine Bücher, allen voran seine "Rita der Ariogermanen" spiegeln eine absurde Germanenvergötterung wieder und stellen den Versuch dar, theosophische und freimaurische Esoterik, die Ende des vergangenen Jahrhunderts durchaus salonfähig geworden war, in eine germanische Heilslehre für Eingeweihte umzufunktionieren. 

Die Eingeweihten, die "Armanen", die "Höchsten aller Menschen" (16) sind nach List aufgerufen, über die "niederen Rassen" zu herrschen, deren "Zweck im Haushalt der Natur" sei, dem "arischen Menschen zu dienen, ihm die groben Arbeiten abzunehmen und ihm Handlanger- dienste bei der Fortbildung und Weiterentwicklung der Gesittung zu leisten"; es sei eine "Schmach und Schande, wenn ein Ario-Germane ein Hundeleben im Lohndienst führen soll, während er doch zum Herren geboren ist" 

"Es wird der Tag kommen, wo man diese Menschen suchen wird, wo man Prämien auf ihre Zeugung aussetzen wird, ebenso wie der Tag kommen wird, an dem man die Mischlingsbrut, die Staat, Gesittung, Religion und Gesellschaft zerstört, vom Erdboden hinweg vertilgen wird müssen" .

Der Staatsaufbau, den List sich vorstellt, ist archaisch, germanischen Vorbildern nachempfunden, ein "Ordensbund der Männer mit okkulter Spitze" , der die Möglichkeit des sozialen Aufstiegs nicht durch das "papierne Befähigungszeugnis einer Mittel- oder Hochschule ... sondern (durch) das rassenkundliche Ergebnis über die Zugehörigkeit zur arischen Rasse deutschen Stammes" ermögliche Grundlage hierfür bilde die "strenge, unüberbrückbare Scheidung zwischen Herrenmenschen und Herdenmenschen ...: Für den Herrenmenschen Erziehung, für den Herdenmenschen Drill" . Für die Erziehung müsse das alte Schulsystem, das auf "Gedächtniswissen" beruhe, durch ein neues, auf 10 Ebenen basierendes ersetzt werden, heben, um nur also begabte in den Stab des Kaisers oder Königs eintreten zu lassen." 

Als ein Jahr nach dem Tode Lists 1920 dessen "Rita der Ariogermanen" in der 2. Auflage erschien, enthielt sie im Vorwort eine Prophezeiung Lists, in der er für 1932 ein rassisch reines Reich verhieß, das Demokratie und Judentum vernichten werde . 

In diesem Zusammenhang sollte auch eine Widmung erwähnt werden, die sich in einem Buch aus Hitlers privater Bibliothek befindet und die Widmung "Adolf Hitler, meinem lieben Bruder in Armanen" von List aufweist. 

Franz von Liebenfels wurde als Adolf Lanz 1874 geboren, ein Name, den er unter Tarnnamen wie Jörg Lanz, Schurl Lanz, Georg Lancz von Liebenfels, Lancz de Liebenfels zu verbergen suchten, um in Horoskopen nicht aufgedeckt werden zu können

Er trat in ein Kloster ein, mußte dieses aber schon 1899 wegen seiner "fleischlichen und weltlichen Begierden" wieder verlassen.  Er gründete daraufhin, von den Gedanken der Theosophen der Madame Blavatski und dem englischen "Order of the Oriental Templars (OTO)" beeinflußt, seine eigene geheime Loge, den "Orden der neuen Templer", zu dessen Mitgliedern neben Guido von List auch der Dramatiker August Strindberg gehörte . Der Order ist Herausgeber der "OSTARA"-Hefte (die in Hitler einen begeisterten Leser fanden), auf deren Titelbild gewöhnlich ein edler, blonder Nordling einen schäbigen, rassisch degenerierten Finsterling niederringend dargestellt war . 

Neben dieser "OSTARA" vertrieb Lanz auch eine Unzahl anderer, ebenso pseudo-wissenschaftlich und pseudo-okkult gehaltener Traktate, in denen er z.B. die Ansicht vertrat, der Rassenkampf müsse soweit gehen wie das "Kastrationsmesser" . Der Arier stamme von "elektrischen Urwesen" ab, "deren Leib aus einem elektrischen Fluidum" bestünde und deren letzter Vertreter Jehova, der Gott der Juden, gewesen sei. Sie hätten durch eine gezielte Zuchtauswahl in eigens dazu zu errichtenden Kolonien die Möglichkeit, den "Übermenschen" zu erzeugen, der die "dunklen Mächte" schließlich besiegen werde . 


Was sich hier liest wie die krude Phantasie eines Hollywood-Regisseurs hat Hitlers Phantasiewelt und seinen Stil entscheidend mitgeprägt . Die Zeit, in der Dr. Lueger der Bürgermeister Wiens war, in der Lanz und List mit ihren pseudo-okkulten Traktaten für einen Groschen das Stück die Stadt überschwemmten, ist eben jene Zeit, in der Hitler seine "Weltanschauung" in Wien sich aus dem zusammenbraute, was er hier und in den Bibliotheken las, die er absuchte nach Büchern über Okkultismus, Astrologie, Yoga, Östliche Religionen und Hyptnotismus. 
Neben Justizrat Class und Hugenberg als Vertreter der Alldeutschen benennt Sebottendorff als wichtigste Quelle den "Altvater" des deutschen Antisemitismus, den Leipziger Theodor Fritsch, "der erste, der die Frage wissenschaftlich aufgriff" und dessen Bücher die "klassische Bücherei der antisemtischen Bewegung" bildeten, und der heute als der "wichtigste Antisemit vor Hitler" gelten kann. 

Fritsch war die "treibende Kraft einer politischen und konspirativen Bewegung" . Seine Bücher, vor allem aber sein "Handbuch" , dürften es Hitler ermöglicht haben, den Eindruck zu erwecken, als habe er die Werke derer gelesen, denen hier, zurecht oder zu unrecht, antisemitische Zitate zugeschrieben wurden . Die zentrale These des Buches, die Verschwörung des Judentums mit dem Katholizismus, den Zeugen Jehova's und der Freimaurerei, mit dem Ziel, die Weltherrschaft an sich zu reißen, wurde im Anhang des Buches dirch die Denunzierung von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens als Juden vervollständigt, um deren schädlichen Einfluß in allen Bereichen zu "demaskieren", und sie für die wachsende Kriminalität und sexuelle Abarten verantwortlich zu machen.  


Das wichtigste Organ Fritsch's, der 1902 gegründete "Hammer", schuf ihm schließlich eine Plattform, von der aus er mit missionarischem Eifer und völkischem Haß einer wachsenden Gemeinde predigen konnte. Ein 1904 von ihm im "Hammer" veröffentlichter Aufruf zur Bildung eines "völkischen Generalstabes" führte zur Gründung lokaler "Hammer-Gemeinden", die sich 1908 als "deutsche Erneuerungs-Gemeinde" konsolidierten.

Als 1912 "Wenn ich Kaiser wär!" von Heinrich Class unter dem Pseudonym Daniel Freymann erschien, schien die Stunde Fritsch's gekommen. Class vertrat in seinem Buch die Ansicht, die bestehenden Probleme benötigten einen Diktator, um die Einflüße des internationalen Judentums zu beenden. 

Fritsch rief in seinem "Hammer" zur Bildung einer antisemitischen Organisation "über den Parteien" und alle "Germanen guten Willens" auf, sich zu vereinigen. Dies führte zu einem Treffen an Pfingsten in Leipzig, wo die Gründung zweier Organisationen vereinbart wurde, die die "Erleuchtung" vorantreiben sollten: Der "Reichshammerbund" unter Leitung Hellwigs von Kassel bis zu dessen Tode 1914 und der geheimen Loge des "Germanen-Ordens" mit Pohl an der Spitze, der nicht nur Stellvertreter Hellwigs im "Bund" sein sollte, sondern auch gleichzeitig Mitglied von Lists "Armanenbruderschaft" war. Diese frühe Phase des "Germanen-Ordens" wird von Sebottendorff kaum erhellt. Sie kann aber nachvollzogen werden durch die Korrespondenz Julius Rüttingers, der bei der Gründung in Leipzig anwesend war . 

Die Statuten sahen einen "Bundeswart" und einen aus 12 Ariern bestehenden "Armanenrat" vor, die ihre Reinrassigkeit nachweisen mußten. Der Bund konnte in seiner Anfangszeit jedoch keinen großen Erfolg erzielen, seine Propaganda bestand aus Handzetteln, und er verbrachte viel Zeit mit internen Streitigkeiten. 

Ende 1912 hatte so z.B. die Nürnberger Gruppe Rüttingers gerade 32 Mitglieder, von denen 10 zu den Versammlungen erschienen, und ihr Barvermögen belief sich auf 5.53 Mark .

Im Juli 1913 existierten erst 19 Gruppen in ganz Deutschland, deren aktivste die in Hamburg unter Alfred Roth war, der 1919 als Vorsitzender des "Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes" wieder in Erscheinung treten sollte. 

Auch die leidenschaftlichen Haßtiraden Fritsch's im Oktober 1912 in seinem Hammer gegen die "Tschandala", die das deutsche Volk untergrabe und die Revolution vorbereite, und sein Apell an "hundert couragierte Männer", das "Werk zu vollbringen", nach dem Gesetz der "heiligen Vehme" die feindlichen Führer gleich zu Ausbruch der Revolte zu vernichten, verhallten weitgehend ungehört . 

Währenddessen entwickelte sich der "Germanen Orden" im Schatten des "Reichshammerbundes" eher still, Doppelmitgliedschaften waren üblich. Gelegentlich erschienen in den Zeitungen der äußersten Rechten wie etwa der "Deutschen Zeitung" oder den "Alldeutschen Blättern" Anzeigen, in denen "ernste Männer mit germanichem Blut und reinem Charakter" aufgefordert wurden, einer "Germanischen Loge" beizutreten, die in "Organisation, Ritual und Terminologie die Freimaurerei imitierte". 

Pohl hatte schon Ende 1911 in einem Rundschreiben an 50 vertrauenswürdige Personen im Reich und in Österreich diesen Vorschlag unterbreitet. Eine Notiz aus dem Januar 1912 verzeichnet 37 positive Antworten, vor allem aus Nord- und Mitteldeutschland . 

Der Versuch Pohl's, Johannes Hering, eine zentrale Figur im Münchner völkischen Treiben, für ein solches Projekt zu gewinnen, hatte dieser mit der Bemerkung abgelehnt, der Boden in München sei zu "jungfräulich", und der Reichshammerbund und die Deutschsoziale Partei hätten schon Schwierigkeiten, ihre 50 bis 60 Mitglieder zusammenzuhalten . Erst in Karl Matthes fand Pohl schließlich den geeigneten Partner, und so kam es im Verlauf des Jahres 1913 auch zur Gründung einer Münchner Loge. Die Gründung einer Großloge für Bayern brachte neben den äußeren Schwierigkeiten auch innere mit sich, den Streit, ob nun München (wo sich unterdessen auch der Reichshammerbund unter Karl Rohmeder formiert hatte) oder Nürnberg, die Stadt Rüttingers, zum Zentrum werden sollte. 

Der Ausbruch des Krieges beendete die Existenz der beiden Organisationen fast. Rüttinger mußte an die Front und Pohl bemerkte 1914: "Der Krieg kam zu früh für uns. Der Germanen Orden ist noch nicht vollständig organisiert und kristallisiert, und wenn der Krieg lange dauert, wird er in Stücke brechen". Daß er tatsächlich entzwei brechen sollte, lag dann aber weniger am Krieg, sondern daran, daß schon Ende 1915 zwischen Pohl und dem Nachfolger Rüttingers in Nürnberg, Töpfer, ein heftiger Zwist entbrannte, in dessen Verlauf dieser Pohl vorwarf, er sei wohl nur noch am Bankett aktiv, er tue nichts. Zudem erschienen die Rituale und Zeremonien den Mitgliedern zunehmend wie Kinderspiele . Pohl wurde abgesetzt, gründete aber sofort seinen eigenen Orden, den "Walvater Germanen Orden vom heiligen Gral", dem sich der 1917 zurückkehrende Sebottendorff anschließen sollte. 

Die Konfusion und das Dunkel, die Anonymität, in der sich die Personen in der Zeit zwischen Pohl's Absetzung und dem Eintritt Sebottendorffs bewegen, wird nur wenig erhellt, eher verdunkelt . Festzustellen bleibt jedoch an dieser Stelle der Entwicklung, daß Sebottendorff die Vorgeschichte der Thule nicht nur zahlenmäßig sondern auch faktisch geglättet hat.  

Als das Ende des Krieges, und damit der Moment der "Schande" sich abzuzeichnen beginnt, wird erneut der Versuch unternommen, den Orden neu zu beleben. Die Initiative und Leitung dieses Projekt'es riss ohne falsche Zurückhaltung Sebottendorff, nicht zuletzt durch sein Geld im Rückhalt, sofort an sich.  

An Weihnachten 1917 konstituierte er den Orden neu, ihm "fällt die Ordensprovinz Bayern zu" und erklärte sich bereit, "die 'Allgemeinen Ordensnachrichten' für die Eingeweihten und die 'Runen' ... für den Freundschaftsgrad zu finanzieren und zu leiten".  In der Folge besuchte Sebottendorff "einige Herren, die sich auf Anzeigen gemeldet hatten" und traf so auf Walter Neuhaus, Mitglied des Germanen Orden und der studentischen Verbindung "Thule-Gesellschaft", die der Münchner Sektion den Namen geben sollte, eine Begegnung, die Sebottendorff als "sehr günstig" beschreibt. Zu den frühen Mitarbeitern Sebottendorff's gehörten neben den bereits erwähnten Hammerbund-Mitgliedern Rohmeder und Johannes Hering auch Justizrat Gaubatz, der "sich dem Roten Kreuz zur Verfügung gestellt hatte und Syndicus des Vogelschutzvereins Bayerns war" , als Rechtsanwalt der Witwe des "Münchner Beobachter"-Herausgebers Franz Eher, den Kauf des Blattes ermöglichte. 

Der Sportclub im Hotel "Vier Jahreszeiten" wurde angemietet und der Orden verschaffte sich so die Räumlichkeiten, um größere Versammlungen abhalten zu können. Neben diesen Aktivitäten veröffentlichte Sebottendorff weiterhin Anzeigen, in denen er für den Orden warb, was ihm jedoch neben dem Hohn regulärer Freimaurer-Logen, die hier eine "Winkel-Loge" vermutetetn, auch Kritik aus den ei genen Reihen einbrachte.  Wer sich auf diese Anzeigen hin meldete, erhielt "Werblatt 1". In diesem wurde darauf hingewiesen wurde, daß ein Geheimbund benötigt werden, um die "unheimlichen Mächte, die an der Arbeit waren, Deutschland wie Hellas und Rom zugrunde" zu richten und sich dabei des Judentums, der Freimaurerei und einer geheimnisvollen Loge, die "Bnei Britz" genannt werde, bediene, zu bekämpfen- Für diesen Kampf gelte es, Mitglieder zu erziehen, die allerdings nachweisen müßten, daß sie arischen Blutes seien, und bereit wären, an der Aufdeckung "des jüdischen Einflusses an der Presse, der Rechtssprechung und der Wissenschaft" zu arbeiten. 

Unterzeichnet war das Werbeblatt von Sebottendorff als Schriftleiter der Runen und dem Gruß "Heil und Sieg" sowie dem Hinweis, man erwarte 20 Mark "Eintrittsgeld" und 10 Mark Vierteljahresbeitrag . 

Wer auf dieses "Werbeblatt 1" reagierte, indem er zunächst einen Ariernachweis einsandte, erhielt "Werbeblatt 2", geziert vom Wotansbild und dem Hakenkreuz, jedoch dem linksdrehenden. Hierin wurden Interessenten aufgefordert, "zu einer geschlossenen Phalanx, in welcher Blutszusammengehörigkeit, gegenseitiger Schutz und Trutz gegen wirtschaftliche Schädigung, Arbeitsteilung, Pflichts- und Verantwortungsgefühl" zusammenkommen, um die völkische Aufklärung voranzutreiben in alle Bereiche der Gesellschaft. Das Ziel sei "die Wiederherstellung der Herrrenstellung im eigenen Hause" gegen die "Verjudung" auf allenen Ebenen, wobei eine breite Palette von Möglichkeiten vorgeführt wurde: "Errichtung einer Weltanschaung auf germanischer Grundlage", "Emporheben, Bevorzugung und Förderung germanischer Blutsgenossen auf allen Gebieten, wirtschaftliche Sicherstellung der Mitglieder (sic!)", "Errichtung eines straff geleiteten, logenartigen Ordens" zur "Höherzüchtung der germanischen Edelrasse". es wurde darauf verwiesen, daß es bereits Orden gäbe, in denen das Ritual vollkommen auf germanische Grundlagen ausgerichtet sei. 

"Vornehme Gesellschaft und strengste Geheimhaltung" wurde offeriert. 

Der unterzeichnende Interessent sollte sich nur verpflichten, ein Bild von sich einzusenden, das dann auf rassenkundlicher Basis untersucht wurde, 50 Mark Eintrittsgeld einzusetzen und 5 Mark Vierteljahresbeitrag zu bezahlen und einen Fragebogen zu beantworten.  War dies geschehen, der Bewerber für würdig befunden, dann wurde er eingeladen und eine Zeitlang beobachtet, bevor man ihn in den Freundschaftsgrad aufnahm, in dem auch Frauen und Mädchen Eingang finden sollten, arische "Eheanbahnung". Der Erwerb des "Münchner Beobachters, als dessen Besitzerin Frl. Käthe Bierbaumer (Thule) eingetragen wurde, sollte der Meinung der Thule auch öffentliches Gehör verschaffen. Sebottendorff funktionierte ihn trendbewußt zur Sportzeitung um, da er vermutete, daß die Juden an Sport nicht interessiert seien und er so unbehelligt arbeiten und die Jugend so erreichen könne . 

Die frühen Artikel Sebottendorffs, die er vollständig in sein Buch integriert hat, lassen schon die Stoßrichtung erkennen: 

Die Rassenfrage sei der "Schlüssel der Weltgeschichte", und erscheine nur deshalb so konfus, weil diese Frage einfach in ihrer Wirkung nicht erkannt werde; der Kampf um die Weltherrschaft würde zwischen der germanischen und der parasitären, großkapitalistischen Weltanschauung ausgetragen; Engländer und Amerikaner seien auch Arier, aber entscheidend sei hier nicht ihre Zugehörigkeit, sondern die Frage nach denen, unter deren Kontrolle sie sich befänden; der germanische Parzival auf der Suche nach dem Gral werde von falschen, weil internationalen Idealen verwirrt, die nur dazu dienten, ihn zu unterjochen; Christentum sei zwar als Wert anzuerkennen, nicht aber, wie es über das Germanentum gebracht worden sei, durch Niederwerfung; "ein ihm fremdes Menscheitsideal bot das Mittel, um Parzival, den reinen Toren, in Fesseln zu schlagen",  aber die Natur lehre anders, nämlich den Kampf des Ariers gegen die Tschandala, die Niederrassigen; dem Germanentum sei die Führerschaft angeboren, aber es sei durch die "Waffe der Tschandala, das Geld" unterjocht.  

Soweit einige Beispiele aus Sebottendorff's Artikeln , die zeigen, daß hier alle pseudo-wissenschaftlichen Gedanken von Fritsch, List und Lanz Eingang gefunden hatten, erweitert durch die Bildersprache Wagners.  Die Weihe der jetzt zunehmend erstarkenden "Thule" fand am 17. Ernting (August) 1918 feierlich im Hotel "VierJahreszeiten" statt, Sebottendorff wurde zum "Meister" bestimmt und am folgenden Sonntag wurden 30 neue Mitglieder aufgenommen. Als Zeichen der Loge wurde das "fliegende Sonnenrad" erkoren, eine Gesangsabteilung wurde eingerichtet, unter Leitung von Frau Ruemann-Bucherer, in der Baron Seidlitz und Johannes Hering Klavier spielten und Frl. Karl sang. Die hier "gemütlich" wirkende Loge breitete sich bis November rasant aus, Sebottendorff nennt die Zahl von 1500 Mitgliedern in Bayer, 250 davon allein in München. 

Die Thule während der Münchner Räterepublik

Der unblutig verlaufende Regimewechsel vom 07/08 November 1918 schien die Stunde zu sein, die alle erwartet hatten. Die Revolution hatte gesiegt. Am 09. November folgte Berlin und Sebottendorff berief eine Versammlung ein, in deren Verlauf er die Thule zum erbitterten Kampf gegen die Demokratie aufrief: "Wir erlebten gestern den Zusammenbruch alles dessen, was uns lieb und wert war. An Stelle unserer blutsverwandten Fürsten herrscht unser Todfeind: Juda ... Es geht jetzt Aug' um Aug', Zahn um Zahn! ... Solange ich hier den eisernen Hammer halte, bin ich gewillt, die Thule in diesem Kampf einzusetzen!" Wer nicht bereit sei, ihm in diesem Kampf zu folgen, solle sich zurückziehen. Er bezeichnet die Revolution als "Läuterung", aber der Adler, den sie als Symbol wählten, habe habe die Fähigkeit, sich selbst zu verbrennen und trotzdem wie Phoenix aus der Asche wieder aufzusteigen. 

Auf der am nächsten Tag stattfindenden Sitzung wurde beschloßen, daß die Thule selbst im Kampf nicht in Erscheinung treten solle, aber ein zu gründender Kampfbund diese Aufgabe übernehmen könne, der unter Sebottendorff's Leitung aktiv werde. Den vielen völkischen Vereinen, die sich durch die veränderte Situation obdachlos oder gefährdet sahen, bot die Thule die Räume im Hotel "Vier Jahreszeiten" an. 

Von dieser Möglichkeit wurde in der folgenden Zeit reger Gebrauch gemacht, hier trafen sich die Alldeutschen unter Lehmann, der Deutsche Schulverein unter Rohmeder, der Hammerbund, den nun Dannehl leitete (ebenfalls Thule-Mitglied), hier konstituierte sich die Nationalliberale Partei des Hanns Dahn, "kurz, es gab keinen Verein in München, der irgendwelche nationalen Belange vertrat, der nicht in der Thule Unterkunft fand" , eine Behauptung, die zwar überzogen klingen mag, aber dennoch zutreffend ist: In der Thule trafen sich alle, um Meinungen auszutauschen, Vorträge anzuhören, wie z.B. dem ersten öffentlichen Auftritt Gottfried Feder's, der über seine "Brechung der Zinsherrschaft" referierte.  Als aktivstes Element bezeichnet Sebottendorff den  Verlagsbuchhändler Lehmann. Dieser beschaffte Waffen, die in der Thule gelagert wurden, und des öfteren Ziel von Hausdurchsuchungen durch die Polizei waren, aber durch Täuschungsmanöver (der erwähnten Gesangsgruppe) verborgen blieben. Lehmann war es auch, der den Gedanken eines Staatsstreichs von Rechts einbrachte, der in einer Versammlung vom 24/10/18 mit den All-Deutschen in den Räumen der Thule diskutiert wurde 

Die ersten Aktionsversuche scheiterten jedoch kläglich, wie die geplante Entführung Eisners (USPD), den die Revolution zum bayrischen Ministerpräsidenten gemacht hatte. Eisner sollte bei einer Versammlung in Bad Aibling, wo Sebottendorff mit seiner Frau wohnte, reden und es war geplant, die Versammlung gegen ihn aufzuhetzen. Der Plan scheiterte daran, daß es Eisner und dem Bauernführer Ganghofer gelang, die Zuhörer durch die Offenheit ihrer Argumente zu überzeugen. 

Eine weitere Chance bot sich in dem ehemaligen Landtagsabgeordneten Dr. Buttmann, der von den SPD-Ministern Auer, Timm und Haller den Auftrag zur Bildung einer Bürgerwehr bekommen hatte, von der sich die SPD Schutz für die zum 12.01.1919 anstehenden Wahlen versprach . Dr. Buttmann hatte sich über das Thule-Mitglied Oberstleutnant Kurz an Sebottendorff gewandt, der ihm für die Gründungsversammlung die Thule zur Verfügung stellte. Hier wurde offen über die Maßnahmen diskutiert, die zu treffen seien im Falle eines Putsches, und vereinbart, Sebottendorff mit der Leitung eines Werbebüros zu beauftragen.

Trotz der 300 Freiwilligen, die sich am Tage nach der Versammlung einfanden, kam es nicht zur Bildung einer Bürgerwehr, weil an der Gründung auch ein Agent des Militärs anwesend war, und Toller im provisorischen Nationalrat das Komplott schon am 30.12. aufdecken konnte. Der Umstand, daß SPD-Minister an ihm indirekt mitgewirkt hatten, verstärkte das Mißtrauen der USPD und verschärfte das Klima. 

Es kam zur Verhaftung der 33 Verschwörer, unter ihnen auch Lehmann, bei dem Waffen gefunden wurden, Dr. Buttmann hatte sich rechtzeitig absetzen können 

Unbeschadet, wenn auch beargwöhnt und zeitweise dazu gezwungen, sich unter der Tarnung einer "Studiengruppe für Germanisches Altertum" zu verbergen, konnte die "Thule" und ihr Kampfbund doch weiterhin ein Spionagenetz aufrecht erhalten, und Agitation im Militär und linksradikalen Gruppen betreiben. 

In diese Zeit fällt auch die Kontaktaufnahme zwischen dem Thule-Mitglied Karl Harrer und dem Werkzeugschlosser Anton Drexler, auf die später noch eingegangen werden soll.  Die Wahlen vom 12. Januar 1919 brachten die Niederlage der USPD und damit Eisner's, der nur 5 Sitze für die Partei gewinnen konnte. Zwar zog sich die USPD am 20.01. aus dem Landtag zurück, fand sich aber im Deutschen Theater zu einer Versammlung zusammen, um die Möglichkeiten zu beraten, wie sie wieder an die Macht kommen könne. Als aber am 21.01. Eisner auf dem Weg zum Landtag , den er eröffnen sollte, von Graf Arco ermordet wurde, und kurze Zeit später sein Nachfolger Auer (SPD) vom kommunistischen Metzger Lindner niedergeschossen wurde und eine wilde Schiesserei im Landtag ausbrach, war der Weg in's Chaos vorgezeichnet: In Müchen kam es zu Plünderungen, Raub und Schiessereien in den Strassen, der revolutionäre Zentralrat forderte die Bildung einer Räterepublik, der Generalstreik wurde ausgerufen, und die SPD versuchte vegeblich, ihren Machtanspruch durchzusetzen. Der Nachfolger Auer's, Hoffmann (SPD) sah sich mit den Entwicklungen in Berlin konfrontiert, wo eben Noske im Bunde mit dem Militär, dem "Feind von Gestern" die Aufstände in Berlin blutig niederschlug, und der ungarischen Revolution Bela Kuns. Auch ein mit Angehörigen der USPD gebildeter neuer Zentralrat konnte die sich abzeichnende Kathastrophe nicht verhindern. 

Als schließlich am 7. April 1919 die "Träumer", die Anarchisten Toller, Mühsam und Landauer die Räterepublik ausriefen, floh die Regierung nach Bamberg und versuchte von dort aus, in die Entwicklung einzugreifen, lehnte jedich jede Hilfe von Berlin ab . Die Tatsache, daß führende Mitglieder dieser neuen Räterepublik Juden oder Russen waren, steigerten den Haß und die Aktivitäten der Thule erheblich, die nun zum Ergebnis kam, daß diese die schon lange erkannte "jüdische Weltverschwörung" in personam war.  Der Kampfbund errichtete eine Zweigstelle ein paar Kilometer nördlich von München in Eching, wo Freiwillige für Freikorps geworben wurden, die auf München marschieren sollten. 

Sebottendorff selbst bemühte sich bei der Regierung in Bamberg um die Erlaubnis, ein eigenes Freikorps aufstellen zu dürfen, die ihm am 15. April auch erteilt wurde. Das Freikorps "Oberland", der offizielle militärische Arm der Thule entstand und führte als Symbol das Hakenkreuz. Dieses Freikorps war später an der Niederschlagung der Spartakusaufstände in Nürnberg beteiligt und Teil des Ringes, der sich langsam um München zuzog. Daß es das erfolgreichste der aufgestellten Freikorpss werden sollte, lag nicht zuletzt an den ausgezeichneten Verbindungen nach München.  

Das Experiment der Anarchisten scheiterte schon nach 8 Tagen, nachdem ein Putsch von Rechts, der "Seyfferitz"- bzw. "Palmsonntags"-Putsch gescheitert war, an dem auch Thule-Mitglieder teilnahmen, wenn auch ihre Rolle von Alfred von Seyfferitz, dem Leiter der Republikanischen Stadtgarde eher ironisch beschrieben wird: "... in Gala-Uniformen! Lackleder-Reitstiefel und Reitpeitsche, Monokel!" 

Die "Hardliner" der Kommunisten unter Levin, Leviné-Nissen und Eglhofer rissen unterdessen die Macht an sich und die bayrische Regierung gab dem Drängen Berlin's nach. Noske entsandte Truppen unter dem Oberkommando van Ovens, der nun die Leitung der Operation gegen München übernehmen sollte. 

Der Diebstahl eines Siegels des 21-jährigen Militärchefs der neu formierten "Roten Armee" Eglhofer ermöglichte es der Thule, Hunderte von Aktivisten aus der Stadt mit gefälschten Bahnpapieren zu schleusen, unter ihnen auch Rudolf Hess. Dieses Vorgehen konnte nicht lange verborgen bleiben, und so kam es schließlich am 26.04. zur Durchsuchung der Thule, in deren Verlauf die Sekretärin Gräfin Hella von Westarp festgenommen und zwei Koffer beschlagnahmt wurden: diese beiden Koffer enthielten nicht nur die vollständige Mitgliederliste der Thule, sondern auch Akten des "Germanen Ordens", so daß die Verantwortlichen für die Sobotage der vergangen Tage aufgedeckt werden konnten. Gräfin Westarp hingegen wurde wieder entlassen. 

Das, was in der Folge geschah und die Verantwortung dafür, daß es überhaupt soweit kommen konnte, weist Sebottendorff, der die Stadt nach dem gescheitertem "Palmsonntags-Putsch" verlassen hatte,weit von sich. Er habe ausdrücklich alle Mitglieder aufgefordert, sich zu verbergen und Anweisungen gegeben, die Akten verschwinden zu lassen. Sebottendorff vermutet viel mehr eine 'jüdische Verschwörung' Levinés und Leviens, die sich am selben Tage vom Vollzugsrat des Rätekongresses als "Judenbengel" und "Arbeiterverführer" beschimpft sahen und das Gremium hatten verlassen müssen. Über den russischen Beauftragten Tobias Axelrode, der im Besitz der Koffer war und deren Inhalt kannte, und Eglhofer, der dem Stadtkommandanten Seidel den Auftrag gegeben habe, hätten sie die Verhaftung aller Thule-Mitglieder abgeordnet, in der Absicht, durch deren Ermordung ein Fanal zu setzen 

Bei der Verhaftungswelle konnte man aber nur 7 Personen habhaft werden, die zur Thule gehörten: Der Gräfin Westarp, Walter Nauhaus, Baron Karl v. Teuchert, Wilhelm von Seidlitz, Walter Deike, Prinz Gustaf von Thurn und Taxis und Anton Daumenlang. Professor Berger, ein Münchner Künstler, der ebenfalls verhaftet wurde, war weder Thule-Mitglied noch ein Saboteur. Er war Jude. 

Die Verhafteten brachte man auf die Wache, von wo aus sie schließlich zu Fuß in's Luitpold-Gymnasium geführt wurden. Hier geschah am 30. April das, was die Stimmung in München endgültig gegen die Räte umschlagen ließ, die Erschiessung der verhafteten Thule-Mitglied, zweier "weißer Husaren" und des Professoren Berger.  Nun ist diese Tat, die auf Seiten der "Weißen Armee" als Vorwand genommen wurde, um nun ihrerseits exzessive Greuel zu verüben, zwar sicherlich ein Verbrechen gewesen, aber der Zusammenhang, in den er von Sebottendorff gestellt wird, konnte von der Gerichtsversammlung, die im September des selben Jahres stattfand, nicht bestätigt werden. Es handelte sich vielmehr um ein "übliches" (so pervers das klingen mag, aber kriegerische Auseinandersetzungen sind schließlich in jeder Form pervers) Verfahren, in dem im Kriegszustande Saboteure und Spione von der jeweils gegnerischen Seite behandelt werden. Die "Geiseln" waren in den Augen der Herrschenden "Kontra-Revolutionäre", die mit den Truppen außerhalb der Stadt gemeinsame Sache machten, sie mit Informationen versorgten und innerhalb der Stadt aktiv waren. Dies trifft nicht zu für die Husaren oder Professor Berger. Hinzu kam ein Aspekt der "Rache" - die Erschiessung fand unmittelbar nach der Ermordung mehrerer unbewaffneter Arbeiter und von 52 russischen Gefangenen . Es sollte in diesem Zusammenhang auch nicht übersehen werden, daß Übergriffe auf Seiten der "Weißen" durchaus häufiger als solche der "Roten" Armee waren, dieser "Geiselmord" aber publizistisch in der Folge so hochgespielt wurde und sich die Zahl der Opfer von Ohr zu Mund erhöhte und die Schilderungen der schändlichen Details "ausgeschmückt" wurden, so daß schließlich erhebliche Unruhe in der Stadt entstand.  

Noske sah sich veranlaßt, den Befehl zur Einnahme der Stadt, die schon zum 27. April eingekreist war, zu geben, und am 01. Mai marschierten die Freikorps und die Armee unter Leitung van Oven's ein. Am 3. Mai war die Stadt wieder unter der Kontrolle der Regierung in Bamberg. Der Nachrichtendienst der Thule half schließlich bei der Verhaftung Axelrodes und Levinés, während Levien sich noch rechtzeitig über die Grenze hatte retten können 

Die militärischen Operationen waren mit der Einnahme Münchens und dem Fall der Räterepublik für die Thule und ihren militärisch Arm, dem Freikorps "Oberland" vorerst beendet, nicht aber, wie etwa Franz Willing schreibt, deren politische Aktivitäten. Sebottendorff sah sich jedoch im weiteren Verlauf des Jahres 19919 nicht nur Kritik aus den eigenen Reihen gegenüber, wo man zu vermuten begann, er trage die Verantwortung für das "Martyrium" der "ersten Helden der Bewegung", denen er sein Buch widmet. Die Ausführlichkeit, mit der er jedoch jede Verantwortung zurückweist, läßt jedoch eher vermuten, daß er nicht ganz ohne Mitschuld war und zu sehr verstrickt in Operationen außerhalb Münchens, als daß er wirklich hätte Vorsorge treffen können für die Thulisten in der Stadt. 

In der Öffentlichkeit sah er sich dem Vorwurf gegenüber, er sei ein Hochstapler, trage einen falschen Adelstitel und habe Deutschland nur deshalb verlassen, weil er sich vor dem Militärdienst habe drücken wollen durch die Annahme der türkischen Staatsbürgerschaft.

Sebottendorff mußte sich in der Folge von seinem Vorsitz in der Thule, dem Bund "Oberland", wo seine Ansichten auch auf Kritik gestoßen waren und dem "Beobachter" zurückziehen.

.... wird fortgesetzt mit


Der "Münchner Beobachter"

Thule, DAP und DSP

Hitler und die Thule

Die Thule von 1919-1923


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